Johannes Meinhardt
Jules Bissier: Werke 1948-65
Staatssammlung Stuttgart, Graphische Sammlung -25. 5. 1986
Aus einer Privatsammlung, etwas ergänzt aus weiteren Privatsammlungen, zeigt die Staatsgalerie Stuttgart hauptsächlich Arbeiten Bissiers, die im Rahmen seines ‘Kampfes um die Farbe’ entstanden sind: Holzschnitte, Monotypien, Aquarelle und Eiöltemperabilder. Dazu kommen Tuschen aus dem Besitz der Staatsgalerie, die einer Schenkung von Frau Lisbeth Bissier entstammen.
Jules Bissier, 1893 bis 1965, war in den zwanziger Jahren ein Maler der ‘Neuen Sachlichkeit’; eine schwere Krise 1928-30 brachte ihn zu einem völlig eigenen Neuanfang. Angeregt durch seine Freundschaft mit Ernst Grosse, einem bedeutenden Sinologen, dessen Buch ‘Die ostasiatische Tuschmalerei’ (Berlin 1922) noch heute empfehlenswert ist, begann er Tuschmalerei als Hauptmedium auszubilden. Die Tuschen der dreißiger und vierziger Jahre lösen sich erst langsam von bestimmten Vorbildern und kompositorischen Grundsätzen: Bissier hatte von Baumeister die einfache, formale kompositorische Entgegensetzung übernommen, die er in der Tusche einerseits an japanischkalligraphische Schriftbilder anlehnte, andererseits an duale und geschlechtliche ‘Urzeichen’, wie er sie bei Johann Jakob Bachofen fand. Die freiesten, differenziertesten Tuschen erscheinen erst um 1958. Nach dem Krieg versuchte Bissier, die Errungenschaften der Tuschmalerei auf farbige Malerei zu übertragen. 1948-51 arbeitet er mit Monotypien, 1948-54 mit Holzschnitten, etwa ab 1949 mit Aquarellen, aber erst um 1955 entwickelt er eine Technik, die sich ganz vom Vorbild der Tuschen gelöst hat und ihn befriedigt: die Eiöltempera auf unregelmäßigen Leinwandstückchen in sehr kleinem Format: ‘Miniaturen’.
Die besten Tuschen Bissiers (und Tuschen bleiben auch nach 1945 genauso wichtig wie farbige Arbeiten) entwickeln ein eigenes Genre, das in höchst fruchtbarer Spannung zu den…