Christoph Doswald
Joseph Heer
Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, April 1989
Galerie Latal, 14.6.-14.7.1989
Tiefe, unendliche Tiefe ohne Horizont, ortlos und zeitlos. Weite, gleichförmige Weite, flach und unstrukturiert. – Joseph Heers Malerei basiert auf diesen zwei Antipoden. Der konzeptionell ästhetische Widerspruch zwischen Flachheit und Tiefenwirkung, dem ein dialektisches Prinzip zugrunde liegt, wird begleitet von einer extrem zeichnerischen Behandlung des Bildobjektes. Man muß also im Zusammenhang mit Heers Schaffen von einer “sogenannten Malerei” sprechen, die nur mittels ihrer sprachlichen Definition und des Bildträgers (Leinwand), nicht aber durch das Malerische als solches ihre Einordnung in die Kategorie der Malerei legitimiert.
Dieser Austausch von Signifikat und Signifikant erweist sich als methodische Konstante im Werk von Joseph Heer. Zwar fungiert die Leinwand nach wie vor als Bildträger, doch bei genauerem Betrachten wird klar, daß Heer diese traditionelle Handhabung radikal in Frage stellt, wenn er nicht die vorgefertigte, weiß grundierte Seite als Malgrund benutzt, sondern sich der unbehandelten Rückseite zuwendet, wo jede eingewebte Faser sichtbar wird. Die Idee der Paradoxierung durch Verschiebung erfährt in der Vertauschung von Grund und Form noch eine zusätzliche Verschärfung. – Liegt das Motiv normalerweise im Vordergrund “auf” oder “über” der weißen Grundierung, so transformiert sich in Heers Bildern die weiße Grundfarbe zu konzentrierten Formen und wird selbst Motiv. Die ursprünglich lineare Beziehung zwischen vorne und hinten, zwischen Form und Funktion, und zwischen Signifikat und Signifikant entpuppt sich im Werk von Joseph Heer als bloße Illusion. Fast jede Interpretation ist möglich, doch nur eine ist zulässig. Einzig die gucklochartigen “Fenster” – bisweilen bizarre Durchbrüche oder…