Helga Meister
Jörg Immendorff
Galerie Michael Werner, 22.1. – 12.3.2005
Kampf Kritik Umgestaltung“ nennt Jörg Immendorff ein Werk von 2004: Es zeigt einen klassischen Helden, das Spielbein auf einen Stein gestellt, ein aufgebauschtes Tuch wie Flügel hinter dem Rücken, ein Götterbote gleichsam. Neben sich hat er, auf einem Tuch sitzend, die Muse. Dem Jüngling kritzelt Immendorff ein „Michael“ auf Brust und Schulter, den Vornamen seines Galeristen Werner, der ihn seit 1971 begleitet und seine Jugendlichkeit eigentlich längst abgelegt hat. Über der Muse und dem ausgestreckten Arm des Helden entziffert man den Namen Jörg als Alter Ego. Maler/Muse und Held/Händler zeigen auf ihr Kind, ein kleines Geschöpf, dem Immendorff einen traurigen Vogel vorgeschaltet hat. Amor steht neben der Muse und trägt eine Atemmaske. Eine Pygmalion-Szene, die Geburt des einen im anderen, inspiriert durch die Antike.
Mit einer Besessenheit sondergleichen produziert Immendorff trotz seiner fortschreitenden ALS-Krankheit, die seine Atemwege und Nervenstränge befällt, seine Bilder. Die Motive nimmt er vorwiegend aus dem Barock, der Renaissance, dem antiken Griechenland sowie aus der Tagespresse. Zugleich kommen persönliche Noten ins Spiel. So trägt ein Hochformat den bezeichnenden Titel „Angstschweiss eines am Diesseits orientierten Bürgers“. Korallenartige Gefäße ragen ins Bild, nehmen mehr als die Hälfte davon ein, sind jedoch nicht strahlend rot, sondern dunkelgrau bis silbrig. Jeder Betrachter schließt sofort auf den Gesundheitszustand des Künstlers, seine Angst, das Diesseits mit dem Jenseits vertauschen zu müssen. Das Bild wird im oberen Teil durch eine Szene erhellt, die eine Grafik von Hans Baldung Grien aus dem Jahr 1507 zitiert. Sie zeigt den…