Martin Seidel
Jörg Immendorff
»Malerdebatte«
Kunstmuseum Bonn, 1.10. – 15.11.1998
“Hört auf zu malen” forderte Immendorff 1966 noch zu seinen Akademiezeiten unter Beuys. Dem koketten Aufruf des Tafelbildes ließ er Taten folgen: LIDL-Aktionen, Engagement in der Grünen-/Bunten-Bewegung, Basisarbeit als Kunsterzieher. Unterdessen pinselte er fleißig weiter dem definierten Ziel entgegen: dem Sozialismus, den er mit Agit-Prop-Realismus befördern wollte. In den späten 70er Jahren schloß er zuerst ein innerdeutsches Aktionsbündnis mit Ost-Künstler Penck, dann protestierte der westdeutsche Maoist mit der politischen “Café Deutschland”-Serie gegen das apolitische “Café Greco” des italienischen Marxisten Renato Guttuso.
Die im Künstlermilieu der Duchamp, Beuys, Dix oder Beckmann spielenden “Café de Flore”-Bilder der späten 80er Jahre schienen endgültig vom Einsehen getragen, daß der Instrumentalisierung der Kunst Grenzen gesteckt sind. Jetzt aber ergreift der 53jährige Maler doch wieder das Wort und will mit einer Ausstellung im Bonner Kunstmuseum eine neue Grundsatzdiskussion über Sinn und Zweck der Malerei vom Zaun brechen.
Ob ihm das gelingt, ist fraglich. Denn die entfesselte “Malerdebatte” will nicht recht in Schwung kommen, was nicht zuletzt an der eigenwilligen Auswahl der Exponate liegt. Immendorff klammert ganze Etappen seiner Entwicklung aus und konfrontiert in einer kaum einleuchtenden Dialektik die alten 60er Jahre-Bilder der “Bä tunst bä” oder “Teine tunst mache” quengelnden Babys mit allerneuesten, teilweise für die Schau entstandenen allegorischen Selbstbildnissen und Historien. Die Dialogbereitschaft der “Malerdebatte” ist beschränkt. Selten nur werden Positionen definiert wie in der gerade entstandenen “Aufgabe des Malers”. In dieser weit ausholenden Allegorie des Holocausts fällt dem Künstler die Rolle des Vergangenheitsbewältigers und Totengräbers der jüdischen Kultur…