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Ausstellungen: Köln · von Helga Meister · S. 336 - 337
Ausstellungen: Köln , 2006

Helga Meister
Jörg Immendorff

»Neue Bilder«
Galerie Michael Werner 3.11. – 22.12.2006

Ein geflügelter antiker Held bläst aus einer Pfeife seinen Rauch in ein Bild, das auf einer schräg stehenden Staffelei steht und voller schwarzer Affen ist. Bläst er dem Bild seinen Odem ein? Macht er das Bild lebendig? Oder entfliehen die Affen der kippenden Staffelei, wie es Ratten tun, die das sinkende Schiff verlassen? Was tun diese Doubles des künstlerischen Ichs? Das Gemälde von Jörg Immendorff zitiert ein Blatt von William Hogarth aus dem Jahr 1764. Bei dem britischen Zyniker des 18. Jahrhunderts sitzt die Figur auf dem Boden, und aus ihrem Mund steigt weißer Rauch auf, in dem das Wort “Finis”, “Ende”, zu lesen ist. Die Sichel liegt neben ihm. Bei Immendorff ist sie aufrecht, sie wirkt wie eine Fahne oder ein Wimpel. Vergänglichkeit und Zeit werden in der Kunstgeschichte und in der Literatur gern durch Rauch vergegenwärtigt, den Chronos, der Gott der Zeit, auszustoßen pflegt. “Time, smoking a picture” heißt es bei Hogarth. Das Bild bei Immendorff wirkt wie der Beginn einer Katastrophe, wäre nicht die Bildtafel auf Goldgrund gemalt, wie eine kostbare Ikone. Eine Frau auf der gegenüberliegenden Seite des Panoramas lehnt sich zur Bildmitte hin, als suche sie Halt. Sie ist dem Holzschnitt von Caspar David Friedrich, Frau am Abgrund, entlehnt. Zwischen ihr und den Affen schlägt ein farbiger Zettel eine Brücke.

Immendorffs Arbeiten sind komplexer, raffinierter und rätselhafter in ihren Erzählungen und ihren allegorischen Bezügen als sein früheres Werk. Sie zitieren alte, kostbare Kupferstiche und Radierungen…



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