Martin Seidel
Jonathan Meese
»Erzstaat Atlantisis«
Arp Museum Bahnhof Rolandseck, 1.5. – 30.8.2009
Künstler haben es doch gut. Sie bewegen sich in einem halbwegs rechtsfreien Raum. Schon in der Antike war es Komödianten hochoffiziell gestattet, Dinge zu sagen, die zu sagen anderen verboten waren. »Malern und Dichtern war es stets erlaubt zu wagen, was immer beliebt« – so zu lesen seit zweitausend Jahren in der Ars poetica von Horaz. Da sieht man Jonathan Meese die Hitlergrüße nach und die Sieg-Heil-Rufe – zumal man von ihm derlei nicht nur gewohnt ist. Man erwartet es. Die Eröffnungsperformance zur Ausstellung im Bahnhof Rolandseck in Remagen am 30. April 2009 gestaltet sich in Sachen Künstlerfreiheit als Triumphzug. Meese kommt, sieht und siegt. Begleitet von einem Spielmannszug überquert er in Uniform den Rhein, besteigt einen Kübelwagen, unterm Arm die Flagge der »Diktatur der Kunst«. Er gestikuliert, salutiert. Er redet und schreit wie letztens in New York oder Yokohama. Er zieht seines Weges, begeht die Ausstellung. Verkündet die Abschaffung der politischen Systeme, die Befreiung des Individuums – qua Kunst. Deren Symbole auf der Flagge sind Quadrat, Dreieck, Kreis und die Unendlichkeitsschleife als formale Anfangs- und Endpunkte. Auf seiner über zweieinhalb Meter hohen Erzdrachenbaby–Plastik »Doc Flashflesh« sitzend, preist er die Kunst und, wie dereinst Joseph Beuys, die Überwindung der politischen Systeme. Wenn der Künstler kein Demiurg, kein romantischer Priester und Sinnstifter mehr ist, dann wiegelt er auf und stiftet Unsinn. Schräg-phantastische Plastiken, ausufernde Leinwände und Wandzeichnungen mit Schlachtrufen (»Babyatlantisis sagt: Die Diktatur der Kunst hat immer Recht«) und…