Noemi Smolik
Jon Shelton
Hering Raum, 1.3. – 12.4.1997
Die alten Ikonenmaler wußten es: die Welt befindet sich in einer ständigen Bewegung, in einer ständigen Veränderung, die mit malerischen Mitteln nicht festzuhalten ist. Daher verzichteten sie darauf, ihre Malerei als Abbild dieser Welt zu betrachten. Die Ikone war ein Entwurf einer unveränderbaren Ordnung, die dieser Welt entgegengestellt wurde. Mit dem Aufkommen der Renaissance ging dieses Wissen verloren. Man glaubte die Wirklichkeit fassen zu können. Ab da konkurrierten die einzelnen Richtungen untereinander im “Festhalten” der Wirklichkeit. Jedes Bild stellte ein “Unterbrechen” des Flusses dar, in dem sich die Welt befindet. Nicht zufällig taucht das Wort “Festhalten” bei Bildbeschreibungen so häufig auf.
Im 20. Jahrhundert tauchen dann wieder Zweifel auf an der Möglichkeit, die Welt in statischen Bildern festhalten zu können. Es werden Versuche gemacht, die Veränderung und Bewegung in die Kunst miteinzubeziehen; es wird mit beweglichen Objekten experimentiert, die Performance wird zur Kunst erklärt. Doch im wesentlichen hat die neu entdeckte Tatsache, daß die Welt sich im Fluß der Veränderung befindet, die Kunstauffassung kaum verändert. Man tut immer noch so, als ob ein Künstler einen Moment festhalten könnte, auch wenn wir spätestens seit Einsteins Relativitätstheorie wissen sollten, daß die Welt aus fließenden Energien besteht, die sich jedem Zugriff entziehen.
Doch wie kann ich mich als ein Künstler diesen Energien, diesem Fluß der Veränderung stellen? Diese Frage beherrscht das ganze künstlerische Schaffen des in Detroit geborenen, seit einigen Jahren in Köln lebenden Künstlers Jon Shelton. Der Fluß im eigentlichen wie im übertragenen Sinne ist auch das…