Aussenseiter, Artbrutisten, Autodidakten und Amateure, Volkskünstler, Visionäre, Vergessene und Verrückte: 25 Porträts
John Kane
* 1860, WEST CALDER, SCHOTTLAND, + 1934, PITTSBURGH, PENNSYLVANIA
John Kanes Werk und Ruf als Maler ist bis zum heutigen Tag für die amerikanische Öffentlichkeit getrübt, weil kurz vor seinem Tod entdeckt wurde, dass er zuweilen Fotografien übermalte – Abzüge, die er selbst auf mit Silberbromid behandeltem Papier gemacht hatte. Kane gestand freimütig seine Praktiken ein (“Ich bin sehr stolz, dass ich mich auf diese Arbeiten verstehe”), aber Lästermäuler fanden ihr boshaftes Vergnügen in dem Versuch, diesen schlichten, begabten Riesen schlechtzumachen. Heute freilich würde man seine Technik einfach “Mixed media” nennen, und damit hätte es sein Bewenden.
Kanes Leben bestand aus lauter Unwahrscheinlichkeiten. Von einer verarmten irischen Familie abstammend, wurde er in Schottland geboren und arbeitete im Alter von neun Jahren in einem Schieferbergwerk. Auf dem Weg, den unzählige andere Immigranten genommen hatten, kam er 1879 nach Pittsburgh, angelockt durch vergleichsweise gutbezahlte Arbeitsmöglichkeiten. Die darauffolgenden Stationen seines Arbeits-Lebenslaufs sind in dem folgenden Abschnitt aus seiner tiefbewegenden Autobiographie “Himmelshaken” (“Sky Hooks”, so genannt nach den Ankereisen, an denen Häusermaler ihre Gerüste aufhängen) zusammengefasst: “In Amerika machte ich so ungefähr jede Arbeit, die ein werktätiger Mann tun kann. Ich bin im Kohlenbergbau gewesen und war bei der Stahlproduktion mit von der Partie, in einem der grössten Stahlwerke der Welt. Ich habe Koks abgebaut und Grubenschächte gesprengt und abgeteuft. Ich habe Strassen gepflastert. Ich habe {…} Aber in der Hauptsache war ich mit dem Malerpinsel zur Hand. Ich habe Häuser, Bürogebäude, Güterwaggons und…