John Ahearn
In seinem Aufsatz “Anxiety as a Rallying Cry”, “Village Voice” vom 16.-22. Sept., stellte der amerikanische Poet und Kritiker Peter Schjeldahl die rhetorische Frage: “Hat irgendwer bisher Ahearn einen großen Künstler genannt? Wenn nicht, dann werde ich der erste sein!”
Die “Westkunst” bescherte uns eine – erste? – Begegnung mit den eindrucksvoll-hintergründigen Reliefskulpturen John Ahearns. Köpfe, Büsten, Halbfiguren von Allerweltsmenschen, die eine seltsame Ernsthaftigkeit, eine Scheu, vermischt mit unterschwelliger, kaum sichtbarer Aggression, in jedem Falle aber eine unabweisbare Würde ausstrahlen. Der Film brachte den Künstler auf die dreidimensionale Kunst. Er hatte Malerei gelernt und sich als abstrakter Künstler versucht. Beim Film fand er Unterschlupf, und ihm fiel alsbald die Aufgabe zu, Gesichter menschenartiger Wesen für Monsterfilme zu entwerfen. Zugleich wurde er damit betraut, das Make-up der Akteure vorzubereiten. Dies entzündete offenbar seine Phantasie und gab den Ausschlag für seine Skulpturen. Die ersten fertigte er im Jahre 1979 an. Seine Hinwendung zur “Bildhauerei” koinzidierte mit seiner Entscheidung, sich im Süden des berüchtigten New Yorker Stadtteils Bronx niederzulassen, wo Spekulanten ganze Straßenzüge aufkaufen und die Menschen in den Häusern durch Brandstiftung vertreiben. Die Folgen dieser Entscheidung haben prägenden Einfluß auf das künstlerische Werk von Ahearn. Denn die Menschen seiner unmittelbaren Umgebung, Schwarze und Hispano-Amerikaner, ganz gewöhnliche Menschen, die ihr Umfeld selten oder nie verlassen, geben die Modelle für seine erstaunlichen Reliefskulpturen ab. Es sind keine Stars, wie Jeanne Siegel in “Arts” vom April 1982 bemerkt, sondern einfache Menschen, die niemals zuvor in das Blickfeld der Kunstöffentlichkeit geraten sind, öffentliches Interesse in keiner…