Thomas Wulffen
Jochen Gerz und die Bremer Befragung
Was tut ein Künstler, der Skulpturen im öffentlichen Raum hat verschwinden lassen oder sie gleich im Verborgenen situiert, wenn er aufgefordert wird, eine weitere öffentliche Skulptur zu installieren? Das mußte sich auch Jochen Gerz fragen, als er 1990 in Bremen den Roland-Preis für Kunst im öffentlichen Raum erhielt. Preiswürdig wurde er durch die Arbeit für Hamburg 1986, das Mahnmal gegen Faschismus, und die Arbeit für Saarbrücken 1993, 2146 Steine – Mahnmal gegen Rassismus. Seit 1990 hat Jochen Gerz an dieser Frage gearbeitet, indem er die Beantwortung an andere Personengruppen delegierte. Entstanden ist eine skulpturale Arbeit, die sich einerseits selbst thematisiert und andererseits den öffentlichen Raum nicht ortsgebunden versteht. Grundlage der Arbeit waren drei zentrale Fragen, die in einem Fragebogen formuliert, an verschiedene gesellschaftliche Gruppen versandt wurden. Die Fragen lauteten:
1. Was beschäftigt Sie so sehr, daß es von einem Künstler thematisch aufgenommen werden sollte? 2. Glauben Sie, daß sich Ihre Vorstellungen mit Hilfe von Kunst verwirklichen lassen? 3. Möchten Sie an dem Bremer Projekt mitarbeiten? Die Umfrage umfasste elf Verteilerkreise: Neues Museum Weserburg, Kunsthalle Bremen, Theaterkreis, Städtische Galerie, Galerie Rabus, Hochschule für Künste Bremen, Tageszeitung TAZ, Kraft Jacobs Suchard, Justizvollzugsanstalt Oslebshausen, Universität Bremen Fachbereich 9, Fernsehen Radio Bremen. Von 49.240 Fragebögen werden 269 ausgefüllt. Der Rücklauf beträgt 0,5 %. Ein Großteil der Befragungen wurde durch öffentliche Seminare, insgesamt sechs, begleitet, um die Diskussion um die angeschnittenen Fragen zu befördern. Der Rücklauf allerdings belegt, daß die Fragen wohl doch zu spezifisch waren, um eine breitere…