CORNELIA GOCKEL
Jochen Flinzer
“Sklave braucht Training” lautet der Text einer Kontaktanzeige, in der ein blonder Mittdreißiger unter der Rubrik “Treffpunkt Lust” seine Dienste anbietet: “S & M, TT, C & B work, whippings and whatever Master determines for proper training.” Die Sprache bedient sich eines anzeigentypischen Codes, der für den Außenstehenden kaum zu entschlüsseln ist. Allenfalls entzündet sich seine Phantasie daran, welche Spielarten der körperlichen Liebe sich womöglich dahinter verbergen könnten. Der konkrete Inhalt bleibt ihm jedoch verschlossen. Allein der Empfänger dieser Botschaft weiß, was sich hinter diesem Text verbirgt. Kontaktanzeigen folgen einem Kommunikationsprinzip, bei dem die Botschaft vom Code strukturiert und vom Kontext determiniert wird. Monat für Monat erscheinen sie seitenweise in den Veranstaltungsmagazinen der Großstädte. Der Hamburger Künstler Jochen Flinzer gehört selbst zur festen Leserschaft dieser Kontaktanzeigen. Für seine Arbeit “Treffpunkt Lust” hat er den Text, der von ihm ausgewählten Inserate auf einen Karton projiziert und mit Nadel und Faden nachgestickt. Der Kontrast zwischen der braven Handarbeit und dem brisanten Inhalt könnte kaum größer sein. Sticken gilt in unserer Gesellschaft als stupide Freizeitbeschäftigung, die dem weiblichen Dekorationsbedürfnis Rechnung trägt. So ist es ungewöhnlich, dass ein Mann sie als künstlerisches Medium wählt und sie noch dazu mit einer Einladung zu promiskuitivem Sex verknüpft. Als eine Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich determinierten Rollenverständnis mag er seine Arbeit jedoch nicht sehen: “Über eine weiblich/männliche Zuordnung habe ich mir keine Gedanken gemacht”, erklärt der 1959 in Bad Harzburg geborene Künstler: “Vielleicht ist es eine Unterwanderung der üblichen Geschlechterrollen, aber das ist nicht der…