Berlin
Joan Fontcuberta
What Darwin Missed
Alfred Ehrhardt Stiftung 14.09.– 22.12.2024
von Herbert Kopp-Oberstebrink
Betritt man die lichten Räume der Alfred Ehrhardt Stiftung, so wähnt man sich in einem hybriden Raum aus Fotoausstellung, Naturalienkabinett und Wunderkammer. Eine große Fototapete mit großartiger Korallenlandschaft und einem Taucher stiftet in einer Ecke eine anheimelnde Wohnzimmeratmosphäre. What Darwin Missed. Teil III – bedeutet das, dass die ganze Inszenierung mit einer wissenschaftlichen Hypothese unterfüttert ist? Immerhin ist die Entstehung des Konzepts von Objektivität in den Naturwissenschaften im 19. und 20. Jahrhundert an die Entwicklung der Fotografie zum leitenden Bildmedium wissenschaftlicher Darstellung gekoppelt. Zeichnung und Drucktechnik hingegen gerieten ins Hintertreffen, da der Faktor künstlerischer Subjektivität als zu hoch galt. Die mit lateinischer Nomenklatur versehenen Schwarzweiß- und Farbaufnahmen von Korallen im Showroom der Alfred Ehrhardt Stiftung scheinen das zu bestätigen. Ist also die wissenschaftliche Dokumentarfotografie das, was Darwin verpasst hat? Weil es sie zu seiner Zeit noch gar nicht gab?
Bestechend sind die Schönheit der Korallen und die Qualität der Aufnahmen. Bereits für Darwin nahmen sie „eine hohe Stellung unter den wunderschönen Gegenständen der Welt“ ein, wie er in seinem erstmals 1842, sodann 1876 in deutscher Übersetzung erschienenen Werk über Korallenriffe schrieb. Doch leitend für sein Interesse an ihnen waren nicht Ästhetik, üppige Farben und Formen, sondern ihre Modellhaftigkeit für die Evolutionslehre.
Und Joan Fontcuberta? Welches Erkenntnisinteresse leitet ihn in dieser Schau? Zunächst einmal die Fertigstellung eines unvollendeten Projekts – jedenfalls wenn man dem Narrativ glaubt, in das er die Ausstellung einspannt. Der renommierte Fotograf Alfred Ehrhardt (1901 – 1984) plante…