Joan Fontcuberta
Zeigen die Bilder von Fontcuberta, auf ihre komische Art, nicht vielmehr die Tragik unserer gegenwärtigen Enttäuschung über die Natur und über die sie untersuchenden Wissenschaften?
Vilém Flusser
Das Hauptinteresse von Joan Fontcuberta, Fotograf aus Barcelona, gilt den komplexen und zwiespältigen Beziehungen zwischen Realität und Fiktion in der Abbildung. Die wissenschaftliche Objektivität, die die Fotografie als Wissens- und Erinnerungsvermittler – zum Festhalten der Realität – einsetzt, ist ein Mythos, den Fontcuberta in typisch postmoderner Vorgehensweise dekonstruiert. Er macht deutlich, daß es sich um eine Illusion handelt, indem er die Künstlichkeit jeder fotografischen Aufnahme unterstreicht.
Sein Herbarium zeigt eine Serie von Pflanzenabbildungen in dem für naturwissenschaftliche Dokumentation seit den Anfängen der Fotografie üblichen kargen Stil. Im aktuellen Kontext ständig neuer Debatten über genetische Manipulationen erkennt der Betrachter ziemlich bald, daß Fontcuberta mit den Manipulationsmöglichkeiten der fotografischen Information spielt, welche noch häufig als Beweis, als Wahrheit gilt. Während wissenschaftlich manipulierte Pflanzen nützlich sind, zum Beispiel in der Landwirtschaft, sind die des Herbarium rein artifizielle Kunstwerke ohne den geringsten Nutzen.
Der formale Bezug zu Urformen der Kunst ist offensichtlich: man denkt unweigerlich an die Fotografien von Karl Blossfeldt, die er in den Jahren 1900 bis 1928 für seine Schüler des Kunstgewerbemuseums in Berlin aufnahm (neutraler Grund, zentrale Komposition, Auswahl der ornamentalen Details). Auf humorvolle Weise, nicht zuletzt durch den Gebrauch – scheinbar – lateinischer Bildunterschriften, macht sich Fontcuberta sowohl über die Wissenschaft wie über die Natur lustig, die mitunter Entgleisungen hervorbringt. In seinen Augen erweisen sich Objektivität wie auch Schönheit als stark von der westlichen Kultur geprägte…