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Titel: Müllkunst · von Urs Stahel · S. 60 - 65
Titel: Müllkunst , 2004

JOACHIM BROHM
ENDINDUSTRIELL

VON URS STAHEL

Die blaue Aral-Uhr ist dort platziert, wo die Sonne stehen könnte: weit oben im Bild, nur wenig nach links aus der Bildachse gerutscht. Eine weiße Kreisfläche in einem hellblauen Quadrat, das gedreht auf einer seiner Ecken steht. Die Zeiteinteilung zeigt Fünf nach halb drei, in Hellblau auf weißem Grund. Das Bild insgesamt gibt eine Vorstadtsituation wieder, andeutungsweise eine Straßenkreuzung oder -abzweigung, an der, so scheint es, eine Wohngegend in eine Gewerbe-, eine Industriezone übergeht. Eine Hecke, drei aufragende Zypressen, dazwischen Strasse, Gehsteigpflaster, abgestellte Anhängerwagen. Ein hoher undurchlässiger Absperrzaun scheint ein Areal zu umfassen, dahinter steht ein einstöckiges, gedrungenes Querhaus vor dem hochaufragenden Verwaltungsgebäude der Firma Raab Karcher. Fünf nach halb drei, der Himmel ist blau, alles wirkt friedlich, die Welt scheint in Ordnung zu sein. Ein Idyll mit Fifties-Stimmung, eine Art “Heimat” der Nachkriegszeit.

Das hochformatige Bild wurde 1992 aufgenommen, Ecke Hittorfstrasse / Neusser Strasse, am Rande von München. 2001 zeigt sich dieselbe Kreuzung anders. Alles scheint wegrasiert, dem Erdboden gleich. Baubrache gibt dem Bild den Grund, sehr hell, fast ausgebleicht staubig, da und dort wuchert Unkraut. Absperrgitter aus verzinktem Metall sind zu sehen, ein frisch geteertes Straßenstück, Rohrteile, Baumaterial, das ungeordnet herumliegt, ein Lucky-Strike-Lastwagen steht dominant im Bild. Wiederum herrscht schönes Wetter, das Bleichblaue des Himmels entrückt ihn in die Ferne.

HALB- ODER GANZZERSTÖRTES

Das schöne Wetter zieht sich weiter durch bis in die illustrierte, montierte, videoanimierte Vorstellung der Zukunft hinein. An zentralen Stellen aufgestellte Werbetafeln mit fotografischen Darstellungen, mit “Prospekten”, wie das Areal nach dem Umbau aussehen…


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