REINHARD ERMEN
Jeff Wall: Figures & Places
Sonderausstellung im Rahmen des “Szenenwechsel XX”
Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/M., 28.9.2001 – 3.3.2002
Man kann jahrelang an den Bildern des Jeff Wall (*1946, Vancouver) vorbeilaufen (“The Storyteller” auf der documenta 8 oder im MMK), ohne sie richtig zu bemerken, so alltäglich erscheinen sie. Doch den, der für sie empfänglich ist, packen sie eines Tages (“Housekeeping” auf der documenta 10), und dann geben sie mit jedem Blick ein kleines Geheimnis preis, ohne dass man der Faszination jemals ganz auf die Spur käme. Alltäglich, ja schmutzig wirken die Umgebungen, fast schnappschussartig scheinen die Augenblicke eingefangen zu sein. Der oberflächliche Betrachter, der noch an den Bildern vorbeiläuft, könnte meinen, hier werde geknipst und geblitzt. Aber selbstverständlich fehlen die roten Augen (ganz abgesehen davon, dass die Figuren selten in die Kamera sehen), es gibt keine Schlagschatten. Die Ausleuchtung ist nämlich perfekt, die Szenen werden mit Licht gemalt. Nichts ist dem Zufall überlassen, Jeff Wal braucht viel Zeit und greift auch mal mit dem Computer in die fotografische Wirklichkeit ein. Gegenwärtigkeit ist vernetzt mit Geschichte, denn der Künstler ist ein pictor doctus. Das einsame, intellektuelle Reflexionsniveau des ,Lichtbildners’ stützt seine Arbeit von innen, und man ist als Rezensent versucht, da mithalten zu wollen. Es geht aber auch anders; wie alles, was in der Kunst groß ist, erlaubt sie auch unmittelbare, emotionale Zugänge.
In den Leuchtkästen, mit denen er seit dem Ende der 70er Jahre arbeitet, manifestiert sich der überdeutliche Anspruch auf ein klassisches Tafelbildmedium. Damit einher geht ein mythisches Eigenleuchten,…