Ronald Berg
Jeff Wall: Belichtung
»Leuchtkästen und neue Schwarzweißabzüge«
Deutsche Guggenheim, 3.11.2007 – 20.1.2008
Das in einen Leuchtkasten montierte Diapositiv im Maßstab 65×80 Zentimeter zeigt Unrat. Der Titel “Rainfilled Suitcase” beschreibt das Motiv etwas genauer. Inmitten des Straßenschutzes von weggeworfenen Tüten, zerfledderten Schriftstücken und verknautschten Pappbechern liegt der untere Teil eines Koffers. Ein paar durchtränkte Kleidungsstücke schwimmen darin. Ein profaneres Motiv ist kaum denkbar, aber wohl auch keines, das so alltäglich für die urbanen Brachen unserer Großstädte ist. Dass der Kanadier Jeff Wall den Abfall als eine Art Stilleben sorgfältig für sein Foto arrangiert hat, lädt die Szene mit geheimem Sinn auf: Wem gehörte der weggeworfene Koffer? Was barg er? Und vor allem: Warum wurde er zum zentralen Requisit eines aufwendig produzierten Kunstwerks? Man geht wohl nicht ganz fehl, wenn man Walls Bild als eine Mischung aus dem kunsthistorisch geläufigen Vanitats-Motiv und einer Tatortfotografie beschreibt. Letzteres vor allem deswegen, weil in dem Bild Menschen zwar fehlen, der Koffer aber als Spur und Relikt gelesen werden kann. Welche (Vor-)Geschichte verbindet sich mit jenem ominösen Koffer? Sofort entwickelt sich beim Betrachten des Fotos im Geiste eine Geschichte – es entsteht Kino im Kopf.
Die übrigen Bilder dieser Ausstellung bieten mit bis zu drei Metern Breite dem Betrachter tatsächlich so etwas wie Kinoformat. Besonders die zwei Leuchtkastendias in dieser Größe haben etwas von der Brillanz einer Filmleinwand. “Overpass” ist narrativ, hier passiert etwas: Drei Menschen mit allerlei Sack und Pack beladen entfernen sich über eine Straßenüberführung. Man sieht sie von hinten durch ein suburbanes Nirgendwo aus…