DIETER BUCHHART
Jeff Wall
“Photographs”
Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, 22.3. – 25.5.2003
Ohne Licht kein Bild. Erst wenn Strom fließt, verschwindet die bisher dunkle Fläche, und das Bild erscheint. Bis dahin sehen wir nur eine dunkle Fläche, die die Welt davor matt spiegelt. Sobald man aber den Strom einschaltet, flackern die Neonröhren, und aufgedreht leuchten sie das ganze Bild in Tageslichtfarben aus. Die tatsächliche Oberfläche verschwindet, und ein Bild erscheint.”1 Denn es ist nicht das darauffallende Licht, das die Bilder Jeff Walls beleuchtet, sondern das darunterliegende, welches die Großbilddia durchleuchtet, eine endogene vom Ort unabhängige Beleuchtungssituation schafft.
Das Dia braucht das Licht, den Neonleuchtkasten, um gesehen zu werden so wie der Film das Durchlicht zur Projektion benötigt. Doch während bei den unterschiedlichen Projektionsformen der Projektor aus dem visuellen Wahrnehmungsbereich der BetrachterInnen möglichst entzogen wird, verbleibt der Leuchtkasten bei Wall als dreidimensionales Objekt nicht nur sichtbar, sondern Teil des Werkes. Zugleich verschwindet durch das Aufdrehen des Lichtes die eigentliche materielle Oberfläche des Neonleuchtkastens, der Bildschirm als Schnittstelle zwischen virtueller und realer Welt, der primär im “kalten” Zustand als ästhetischer Gegenstand und abstraktes Objekt wahrgenommen wird. An jener Schnittstelle entstehen die konstruierten Realitäten Walls. Die Ästhetik dieser Leuchtkastenbilder erinnert an jene auf Flughäfen, Busterminals, Bahnhöfen und nun auch verstärkt im urbanen öffentlichen Raum installierten Leuchtkastenwerbeflächen.
Dies nutzte Wall auf der documenta X und platzierte in einer unterirdischen Fußgängerpassage Kassels “Milk” (1984) in einem Schaukasten. Die Darstellung ist lebensgroß. Der Gehsteig einer abfallenden Straße liegt im Sonnenlicht. Vor einer perfekt geschlichteten Ziegelmauer sitzt ein Mann,…