Jeder Mensch ist ein Künstler – aber nicht jeder ist ein Berufskünstler
14 Interviews von Georg Jappe mit Joseph Beuys und dessen ehemaligen Schülern im Frankfurter Kunstverein während der Veranstaltung ‘mit – neben – gegen’.
Die Ausstellung ‘mit , neben, gegen’ wurde auf einer Versammlung Ende August 1976 in Düsseldorf von einer großen Mehrheit der ehemaligen Beuys-Schüler akzeptiert und vom 28. Oktober bis zum 5. November 1976 im Frankfurter Kunstverein aufgebaut. Jahre zuvor hatte Wieland Schmied, damals noch Leiter der Kestner-Gesellschaft, für ein ähnliches Projekt keinen Konsensus erreicht, da er eine Auswahl vorhatte.
Diesmal keine Auswahl, keine Anordnung, über hundert Teilnehmer; der Konsensus brach beim Aufbau schnell zusammen. Die anerkannten Künstler kamen meist mit geringen Markierungen aus, indes die Unsäglichsten selbstkritiklos die größten Blickfänge türkten. Enttäuschend war für Beuys vor allem, wie wenige ‘Jeder Mensch ist ein Künstler’ begriffen hatten, indem sie zeigten, was sie heute im Beruf tun, was von der Konzeption Kunst = Leben sich darin ausgeformt hat; wie viele hingegen glaubten, dies sei die Gelegenheit, ihre Bildchen aus Schubladen und Schinken aus Schuppen her vorzuholen, die nicht begriffen hatten:
jeder Mensch ist ein Künstler, aber nicht jeder Mensch ist ein Berufskünstler. Beuys ist hochallergisch gegen autonomen Dilettantismus; galeriekünstlerisch hingegen mögen die Linksextremen oder die Friesen sein, wie sie wollen: ‘es ist ein Modell, das funktioniert’, darauf kommt es an.
Enttäuschend zum zweiten, daß niemand an eine Dokumentation der Beuysklasse gedacht hatte, der Sprengwirkung vom Keller der Akademie bis in die höchsten Kreise der parlamentarischen Demokratie. Enttäuschend zum dritten, wie aggressiv, arrogant und…