Jean-Ulrick Désert
Auffällige Unsichtbarkeit
Ein Gespräch von Michael Hauffen
Mit der Verleihung des „Wi Di Mimba Wi“ – einem neu gestifteten Preis für Künstler* innen of Colour in Deutschland – und mit einer großen Einzelausstellung im Savvy Contemporary (Berlin) wurde jetzt das umfangreiche Werk eines Künstlers geehrt, der seit über 20 Jahren in Deutschland lebt und arbeitet.
In den U.S.A. als Architekt ausgebildet, wo er die Staatsbürgerschaft erworben hat, identifiziert er sich als Queer Afro-Karibier mit seiner Heimat Haiti, wo seine Familie seit der Revolution von 1804 ansässig ist. Haiti liegt im Zentrum des Karibischen Archipels und war die erste Sklavenkolonie in der Geschichte, in der eine Revolution erfolgreich war. In der Folge konnten hier afrikanische Traditionen in einer Republik eine moderne Kultur ausbilden – trotz der anhaltenden Ausbeutung durch die ehemaligen Kolonialmächte, die sich die Anerkennung der Souveränität sehr teuer bezahlen ließen.
Diese Verbundenheit bedeutet jedoch nicht, dass Désert einen partikularen Standpunkt einnähme. Vielmehr besteht sein Engagement darin, ausgehend vom Geist der Befreiung, den diese Insel trotz allem verkörpert, in die verschiedensten Facetten einer prekären globalen Situation mit ästhetischen Mitteln mehr Klarheit und mehr Empathie zu bringen.
Michael Hauffen: In Waters of Quisqueya (2017) hast du mittels Zeichnung, Malerei und Prägedrucktechniken eine überbordende Karte der Karibik auf Pergament erstellt, die in poetischer Weise exakte Grenzverläufe (rote Linien), Inseln mit Namen etc. und dazwischen eine Vielzahl illustrativer Elemente (Schiffe, Skelette, Tiere, eine Bohrinsel…) versammelt, nicht zu vergessen die üppige Legende, die in einem barocken Rahmen in der Form Afrikas untergebracht ist…