Rainer Unruh
Jean Miotte:
»Europa und Amerika«
Ludwig Museum im Deutschherrenhaus, 7.5. – 16.7.2000
Der deutsch-französische Kulturaustausch verläuft gelegentlich auf Kanälen, die wie die Wege des Herrn sind: unerklärlich. Da feiert einerseits die Pariser Galerie nationale du Jeu de Paume 1997 den deutschen Altmeister des Informel Emil Schumacher mit einer glanzvollen Retrospektive. Aber wenn es andererseits darum geht, einem vergleichbar bedeutenden französischen Maler der “art informel” eine Ausstellung in Deutschland auszurichten, dann erheben sogleich die Zweifler ihre Stimmen, ob der Mann denn auch bekannt genug sei, um genügend Besucher anzuziehen. Vielleicht war aber auch nur die Profilneurose eines Lokalpolitikers Ursache dafür, dass es im Vorfeld der Miotte-Ausstellung hinter den Kulissen derart krachte, dass die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” vom “Museumsputsch in Dortmund” sprach und “Miró statt Miotte” titelte. Auf ihrer zweiten Station, dem Ludwig Museum im Deutschherrenhaus Koblenz, ist die Kulturpolitik kein Thema mehr. Man kann sich, endlich, ganz der Kunst widmen.
Die gegenüber Dortmund von 120 auf 75 Exponate verkleinerte Werkschau wird auf zwei Stockwerken gezeigt. Vom Eingang aus fällt der Blick zunächst auf ein für Jean Miotte ungewöhnliches Bildformat. Das Tondo ohne Titel von 1997 bildet gleichwohl einen klugen Auftakt der Werkschau. Von einem weißen Zentrum inmitten einer dichten schwarzen Zone scheint schwarze Farbe wie in einer Zentrifuge nach außen geschleudert zu werden, um in einem breiten Fluss nach unten auszulaufen. Ein Video, das in der Ausstellung zu sehen ist, zeigt, wie Miotte vorgeht. In Freizeitkleidung mit Sportschuhen steht er vor der Leinwand, den mit dünnflüssiger Farbe vollgesogenen breiten Pinsel in der Hand….