Heinz Thiel
Jean-Michel Basquiat
Kestner-Gesellschaft 15.9. – 14.11.1989
Schreiben, streichen, übertünchen sind die formal auffallendsten Merkmale der Zeichnungen Basquiats. Es sind die Taktschläge, die einen Rhythmus angeben, der sich über die Augen in den Körper einschleicht. Die Augen werden von Wörtern und Wortwiederholungen unruhig übers Blatt geschickt und können sich auch an figurativen und farblichen Fetzen nicht festhalten.
“Power + Money (Value) without Nobility” steht auf einem der Blätter aus dem Anfang der 80er Jahre – man könnte es zum Ausgangspunkt einer Philosophie der Nervosität und Unruhe nehmen, die man sich in den zeichnerischen Arbeiten von Basquiat dargestellt denken kann. “Power” und “Value” sind Wörter, die mehr enthalten, als nur eine sachliche Bedeutung. Sie sind die Haut für ein Vibrieren, das mühsam in Bedeutungsschranken gehalten wird.
Basquiats Zeichnungen sind keine Explosionen; es sind notierte Explosionen; es birst nicht auf dem Papier, sondern in den Köpfen der Betrachter.
Man kann aus den Notationen auf Zeichenpapier die sinnliche und rhythmische Umwelt des Künstlers fast akribisch umsetzen in erlebbare Wirklichkeiten – und das ist auch in Interpretationen immer wieder versucht worden -, aber das künstlerische Werk bleibt dennoch abgeschlossen und verschlossen. Es wird nicht befreit, es bleibt der eingefangene, eingeschlossene Rhythmus. Trotz aller figurativen Inhaltlichkeit, die sich dem Betrachter auf den Blättern darbietet, gibt es keine erzählbare Geschichte, sondern nur ein formales Korsett, das Struktur und Stütze ist. Die Zeichnungen sind wie ein pulsierendes Herz – sie enthalten Leben, aber sichtbar und sezierbar sind nur Muskeln.
Die Zeichnungen Basquiats sind glatter als seine malerischen Arbeiten. Man hat deshalb das…