Rainer Unruh
Jean-Marc Bustamante:
»Long Playing«
Deichtorhallen Hamburg, 6.4. – 1.7.2001
Es gibt Momente, da erwacht man aus einer Tagträumerei, und auf einmal erscheint einem die Welt fremd. Die Dinge stehen klar und scharf vor Augen, jedes an seinem Ort, und doch hat man Mühe, sie als etwas zu begreifen, was eine Bedeutung für uns hat. Alles ist zugleich nah und fern, ein kleiner Kiesel wiegt in der Wahrnehmung nicht schwerer als ein Berg. Wäre es möglich, ein Bild der Welt in diesem Augenblick zu fixieren, vielleicht sähe es aus wie eine Landschaftsfotografie von Jean-Marc Bustamante.
“Long Playing” versammelt rund 80 Arbeiten des Franzosen (Jahrgang 1952). Den Auftakt der in Analogie zur Abfolge von Musikstücken auf einer Langspielplatte konzipierten Ausstellung bilden eine Reihe von Schwarzweißfotografien. Grundlage dieser von Bustamante als “Lumières” bezeichneten Werkgruppe sind Aufnahmen aus Archiven. Bustamante hat sie abfotografiert, vergrößert, mit Siebdruck auf Plexiglas übertragen – und dadurch das, was auf ihnen dargestellt ist, zum Beispiel einen altertümlich anmutenden Duschraum, davor bewahrt, vergessen zu werden. Die Siebdrucke sind – im Unterschied zum Ausgangsmaterial – nämlich dazu gemacht, ausgestellt zu werden. Ohne die weiße Wand, vor der sie aufgehängt werden und die durch das Plexiglas hindurch schimmert, könnte man auf ihnen nichts erkennen. Die Vergangenheit er-scheint buchstäblich im Licht der Gegenwart.
Im Unterschied zu diesen Trouvaillen aus den Archiven hat Bustamante die sogenannten “Tableaux” selbst fotografiert. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Landschaftsaufnahmen aus den Jahren 1978 bis 1982, die vorwiegend in der Gegend von Barcelona entstanden. Man sieht wenig einladende…