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Titel: 50. Biennale Venedig · von Michael Hübl · S. 292 - 293
Titel: 50. Biennale Venedig , 2003

JAPAN: Yutaka Sone, Motohiko Odani
Utopien sind Orte, an denen Entwürfe einer besseren Welt modellhaft dargestellt werden. Thomas Morus hat einen solchen Ort beschrieben – als die mondsichelförmige Insel Utopia. Utopia heißt gemäß der imaginären Realität dieses Ortes: Nicht-Ort. Dieser Nicht-Ort allerdings trägt den inhärenten Anspruch in sich, eines Tages verwirklicht, also: Ort zu werden. Fast wäre in Venedig ein erster Schritt in diese Richtung unternommen worden, hätte Utopia wenigstens eine Anlegestelle bekommen. Nach den Plänen des Typosophen Ecke Bonk sollte eine Vaporetto-Station in “Campo More/Utopia” umbenannt werden. Hinter dieser Modifikation des nahverkehrstechnischen Signalements zeichnet sich die nominalistische Überzeugung ab, dass es die Worte sind, die Wirklichkeit konstituieren – eine Auffassung, die selbst wiederum einen utopischen Impuls in sich trägt: Wer Utopia liest, spricht von Utopia und wird eines Tages alles daran setzen, dass Utopia Realität wird. Möglicherweise liegt hier der tiefere Grund, weshalb seitens der verantwortlichen Stellen die Umsetzung des Projekts abgelehnt wurde und Ecke Bonks Vorhaben nur als Fotomontage im Biennale-Katalog Existenz erlangte.1 “Campo More/Utopia” (2003) hat nun die gleiche Kategorie erreicht wie etwa “La città del sole” (1602) von Tommaso Campanella oder “Nova Atlantis” (1627) von Francis Bacon – die Kategorie der Bilder und Entwürfe.

Im japanischen Pavillon ist man einem solchen Konflikt von vorneherein entgangen, denn man stützt sich dort auf einen Begriff, der in jüngerer Zeit das Konzept Utopie aus der vordersten Linie des Diskurses verdrängt hat, wiewohl es durchaus terminologische Querverbindungen und Überschneidungen gibt. “Heterotopias” lautet der Leitgedanke über dem Beitrag Japans, der auf…

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