HELGA MEISTER
Jannis Kounellis
Kunstraum Innsbruck, 5.7. – 11.10.2003
Jannis Kounellis hat sich gleichsam zu seinem 70. Geburtstag selbst ein Geschenk gemacht, einen Vorhang aus transparenten Rotweingläsern. Sie hängen im Kunstraum Innsbruck über einer weiß gestrichenen, 13 Meter langen, freistehenden Wand, die bis zum Deckenunterzug reicht. 248 Viertelliter-Gefäße begrüßen den Eintretenden und stellen sich ihm zugleich entgegen. Das Tageslicht fällt direkt auf sie und lässt die gläserne Architektur leicht, luftig und vom Licht durchflutet erscheinen. Kounellis, der Theatermann, kennt sich genauestens im Inszenieren von Räumen aus. Die Gläser sind am Stiel durch Bindfäden auf eine simple Weise geknotet, das grobe Material ist länger als die Wand und läuft einfach aus. 28 Schnüre, die in regelmäßigen Abständen geknüpft sind, fallen auf den Boden und kräuseln sich dort. Die grafischen Linien sind ein zusätzliches Moment, um den Raum musikalisch erklingen zu lassen. Kounellis ist ein musikliebender Mensch.
Doch er ist auch die Dramatik gewöhnt, als gebürtiger Grieche aus Piräus liegt ihm gleichsam die griechische Tragödie im Blut. Und so fügt er denn der lichten Wand aus Transparenz und Glas ein eisernes Kreuz hinzu, das bis auf wenige Zentimeter die gesamte Höhe der Wand einnimmt. Es steht auf dem Kopf, das heißt, die Kreuzesbalken liegen unten, der Stahl ist an der oberen Stelle durchlöchert und wird durch einen Fleischerhaken gehalten, der gleichfalls ganz primitiv am oberen Ende der Wand eingehakt ist. Das Harte und das scheinbar Zarte, das Schwergewichtige und das Leichte, der Weinkelch als Sinnbild der Freude, der Ausgelassenheit, aber auch das Kreuz als Sinnbild…