Claudia Posca
Jannis Kounellis
»Lineare Notturno«
Kunsthalle Recklinghausen, 2.5. – 11.7.1993
Lineare Notturno ist eine Ausstellung anläßlich der Ruhrfestspiele `93 in Recklinghausen, die unter dem Thema “Aufbrüche – 25 Jahre nach 1968” stehen. Gezeigt werden Objekte und Installationen des 1936 in Griechenland geborenen, in Rom lebenden und seit Mai 1993 an der Düsseldorfer Kunstakademie lehrenden Jannis Kounellis. Erstmals in diesem Rahmen ist damit ein einzelner Künstler präsentiert. Begleitet wird die im gesamten Haus installierte Schau von einem umfangreichen Katalog, der, als Geschichtsbuch konzipiert, über das in der Kunsthalle zu Sehende hinausgehend, das Gesamtwerk von Jannis Kounellis vorstellt. Dies scheint nicht weiter hervorhebenswert, macht aber deshalb Sinn, weil in der Diskrepanz zwischen der in der Ausstellung zu erfahrenden aktuellen Zeitlichkeit der Werke und der im Katalogbuch dokumentierten vergangenen Schaffenszeit das im Thema der Ruhrfestspiele angesprochene Verhältnis des Gegenwärtigen zum Vergangenen auf kunstimmanenter Ebene reflektiert wird. Während der Katalog retrospektiv sichtet, wobei zugunsten hermeneutischer Anschauung auf eine Chronologie der Werke verzichtet wird, sind sämtliche Exponate nach 1987 entstanden, davon mehrere vor Ort in der Kunsthalle. Davon allerdings ist am Ort nichts zu erfahren: Seiner dem inneren Zusammenhang der Werke folgenden Intention gemäß hat Jannis Kounellis die üblichen Hinweisschilder mit Titel, Entstehungsdatum und Materialangaben aus der Ausstellung verbannt. Eine auf Gleichwertigkeit der einzelnen Arbeiten und auf eine Vergegenwärtigung des ursprünglich nicht gleichzeitig Geschaffenen abzielende Gesamtkunstwerkausstellung ist auf diese Weise entstanden. Sie interpretiert im Widerspruch zu einer bloß dokumentierenden Zeugenfunktion von Kunstwerken, wie man sie hätte auch durch eine Auswahl von Arbeiten eben der 60er und…