CORNELIA GOCKEL
James Coleman
Kunstbau, München, 20.4. – 21.7.2002
Der Schrei der Möwe zerreißt die Stille. Hoch oben am Himmel kreist sie über dem Ozean. Ihr Körper wirft schwarze Schatten auf die gekräuselte Wasseroberfläche. “Seagull” ist eine der ersten Diaprojektionen des irischen Künstlers James Coleman. Für seine Ausstellung im Kunstbau wurde der 1973 fotografierte Flug der Möwe restauriert und ist nun als unterschiedlich choreographierte Überblendung auf zwei Seiten einer Leinwand zu sehen. Aber man muss schon sehr viel Geduld aufbringen, wenn man die Unterschiede der beiden Projektionen erkennen will. Denn Coleman setzt nicht auf einen schnellen spannungsreichen Ablauf, sondern dehnt die Verweildauer der Standbilder fast bis zur Unerträglichkeit. Damit unterläuft er die an schnell geschnittenen Filmsequenzen geschulten Rezeptionsgewohnheiten des Betrachters und lädt die Einzelbilder mit zusätzlicher Bedeutung auf “Man könnte denken, dass das Kino einen Ausweg aus der Sackgasse der Fotografie bietet, schließlich ist Film ein zeitgebundenes Medium, das tatsächlich Bewegungsfolgen mit der Darstellung von Bewegung verzahnt. Jene Bewegung, die uns das Kino vorführt, ist aber in erster Linie physikalischer Art: Statt Zeitlichkeit sichtbar zu machen, schaltet sie diese aus,” schreibt die amerikanische Filmtheoretikerin Kaja Silverman in einem Essay. Colemans Ansatz ist hingegen ein anderer. Das zeigt auch die Diaprojektion “La Tache Aveugle” bei der er eine Sequenz von einer halben Sekunde aus dem Film “Invisible Man” auf eine Zeitspanne von acht Stunden ausdehnt. Mit seinen extrem langsamen Überblendungen belebt er die Standbilder und thematisiert Bewegung als ein Moment der Wahrnehmung, die eigentlich zu jeder aktiven Form der Betrachtung gehört.
Colemans frühe Diaprojektion…