MICHAEL HÜBL
Jakob de Chirico
Galerie X im Kloster Aldersbach, 11.7. – 31.8.2003
Ferienfreundliche Burgenromantik, fast vergessene Bombenattentate, bäuerliches Selbstbewusstsein und beschleunigte Modernisierung à la Mussolini: Südlich des Brenners, der über Jahrhunderte hinweg nur ein Pass, aber keine Grenze war, haben die Konflikte des 20. Jahrhunderts zu Verwerfungen geführt, die unter der Hülle wirtschaftlicher Prosperität, weitgehender politischer Autonomie und touristischer Anziehungskraft nur selten an die Oberfläche treten. Ab und an werden Monumente wie das 1938 von den Faschisten errichtete, 1968 durch eine Kopie ersetzte Alpini-Denkmal in Bruneck Opfer von Sprüh-Aktionen, aber solche Farbattacken sind nichts im Vergleich zu den Zeiten, als etwa in der Südtiroler Feuernacht (11./12.Juni 1961) rund 40 Hochspannungsmasten gesprengt und drei Kraftwerke lahmgelegt wurden. Fünf Jahre später flog auch die Krieger-Skulptur von Bruneck in die Luft, die wegen ihrer Kopfbedeckung im so genannten Volksmund “Kapuziner-Wastl” heißt.
Südtirol ist nicht Bosnien. Aber die Region gehört zu jenen nationalen Randzonen Europas, in denen es – befördert durch die reale Machtpolitik – zu blutigen Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Ethnien kam (Briten/ Iren, Spanier/ Basken, Deutsche/ Tschechen). Der Künstler Jakob de Chirico, der in Meran und München arbeitet, hat seinen Namen an diesen Gegensätzen ausgerichtet. Seinen typisch Tiroler Vornamen, der, wie in katholischen Gegenden üblich, an eine biblische Figur erinnert, hat der inzwischen Sechzigjährige beibehalten, den Nachnamen hat er bei einem Maler entlehnt, der ein leidenschaftlicher Feind der Moderne war und der doch wesentliche Züge ebendieser Moderne in seiner Pittura metafisica auf den Punkt brachte. Der Widerspruch zwischen einer alpenländisch geprägten, von der Donaumonarchie beeinflussten…