Marcus Lütkemeyer
Ja, wo laufen sie denn?
Überlegungen zur Kunst am Kunstverein
“Man hat für hochfliegende Gedanken eine Art Geflügelfarm geschaffen, die man Philosophie, Theologie, Literatur nennt, und dort vermehrten sie sich in ihrer Weise immer unübersichtlicher, und das ist ganz recht so, denn kein Mensch braucht sich bei dieser Ausbreitung mehr vorzuwerfen, dass er sich nicht persönlich um sie kümmern kann.”
Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften
“Wo ist der Ort der Kunst?” – eine ungeklärte Frage, so oft sie in der Vergangenheit auch bemüht wurde und aktuell strapaziert wird. Was so knapp und prägnant klingt, offenbart eine Unschärfe, die nahezu als symptomatisch gelten kann für eine Debatte über bildende Kunst, in der Missverständnisse zunehmend normativen Status erlangen. Impliziert die Frage doch mehrere Begleitaspekte: “Wo ist der Ort der Kunstproduktion und kreativer Prozesse?” – “Wer ist verantwortlich?” und: “Was ist das Publikum?”
Die Frage nach der Verantwortlichkeit scheint mit Hinweis auf die “Ausstellungsmacher” ebenso schnell geklärt, wie sie die Fragen nach Kunstproduktion und Publikum maßgeblich bedingt. Denn wurden Kuratoren aus der Sinnkrise der 1960/70er Jahre als Kontexterzeuger und Ideengeber gefordert, sehen sie sich seither berufen, Bedeutung zu stiften. Einhergehend mit wachsender Autonomie und international geschulter Systematisierung kuratorischer Vorgehensweisen entwickelte sich eine Theorie, in der erst das Konglomerat aus Präsentieren, Vermitteln und Präzisieren die Kunst zum Kunstwerk macht. Demnach beginnt Kunst beim Kuratieren, ohne das sie im anonymen Abseits verbliebe. Kreative Produktionsabläufe werden weitgehend ausgeklammert und in die spekulativen Arealen künstlerischer Einbildungskraft verortet, wohingegen verordnete Besucherzahlen Qualitätsmaßstab einer Ausstellung sind. Intern wird das Publikum als…