ISLAND: Rúrí Wasser. Manchem, der unter der lastenden Hitze der Eröffnungstage litt, mag der isländische Pavillon wie ein Ort der Verheißung vorgekommen sein. Rúrí hat ihn ganz auf das nasse Element abgestimmt und damit zur Schnittstelle zwischen dem Land ihrer Herkunft und dem Schauplatz ihres internationalen Auftritts gemacht: Beide, Island und Venedig, sind in besonderem Maße durch das Wasser geprägt. Die unmittelbare fluide Erfahrung hat die Künstlerin durch akustische und visuelle Aufbereitung ersetzt. Untermalt vom überwältigenden Geräusch tosender Wassermassen zeigt sie Großaufnahmen von Wasserfällen als “Archiv – gefährdete Gewässer” (Archive – endangered waters). Die Fotografien wurden auf Transparentfolien abgezogen, zwischen zwei Glasscheiben gepresst, gerahmt und in eine robuste Metallkonstruktion eingestellt, aus der sie sich als Schautafeln herausziehen lassen. Da immer nur ein Teil der Aufnahmen hervorgeholt werden kann, müssen sich die Betrachter – verbal, per Blickkontakt oder Körpersprache – untereinander abstimmen, damit der Schiebemechanismus nicht blockiert. Rúrís Arbeit enthält mithin auch ein interaktives Moment.
Flüsse und Bäche, die an Felskanten in die Tiefe stürzen, sind auf der nordeuropäischen Insel so allgegenwärtig, dass sich ein praktisch-knapper sprachlicher Begriff herausgebildet hat: Foss heißt im Isländischen Wasserfall. Der Dettifoss, ein beliebtes Touristenziel, ist einer von ihnen, und Rúrí hat ihn ebenso in ihr Archiv aufgenommen wie etliche kleinere Wasserfälle, die in derart unzugänglichen Gegenden liegen, dass sie namenlos blieben. In der Ausstellung ist die Anonymität aufgehoben, denn Rúrí hat ihnen (meist auf die geographische Situation bezogene) Namen gegeben. Berücksichtigt man, was historische Überlieferung unter den spezifisch isländischen Verhältnissen bedeutet, so birgt Rúrís…