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Titel: 51. Biennale Venedig · von Michael Hübl · S. 246 - 261
Titel: 51. Biennale Venedig , 2005

Michael Hübl
Island

Gabríela Friðriksdóttir – Versations/Tetralógía

Island ist – was die Außenwahrnehmung anbelangt – ein geteiltes Land. Die einen wittern dort nordischen Urzustand mit unberührter Natur und einer Bevölkerung, die noch immer in beträchtlichem Maß animistischen Vorstellungen die Treue hält, so dass etwa bei Straßenplanungen schon mal in Erwägung gezogen wird, ob man mit dem Routenverlauf möglicherweise heimische Geister beleidigt oder Elfen vertreibt. Die anderen erkennen in Island einen hochmodernen Staat, dem die neuesten Technologien gerade neu genug sind: Da wird eine enorme Wasserkraftanlage aus dem Boden gestampft, um ein neues Aluminiumwerk mit Strom zu versorgen, oder es werden die genetischen Codes der Isländer registriert, um die Genomforschung voranzutreiben. Auch sonst ist der 280000-Einwohner-Staat voll am Puls der Zeit: War Ludwig Wittgenstein bei seiner Islandtour, die er im September 1912 mit David Hume Pinsent unternahm, noch auf mühseliges Pony-Reiten angewiesen, so ist Reykjavik heute ein Dorado für City-Hopper, die aus London oder New York einfliegen, um sich in Clubs und Discotheken umzutun oder um einen Wellness-Nachmittag in der Blauen Lagune einzulegen.

Gabríela Friðriksdóttir hält sich an das Alte ebenso wie an das Neue. Für ihre höhlenartige Installation im isländischen Pavillon greift sie unbefangen auf High-Tech-Equipment zurück, um mittels Sound und Video eine nicht-lineare Geschichte aus lose verknüpften Szenen zu erzählen. Sie sind aufgeladen mit erdigem Urmutter-Eros und Werwolf-Flair, spielen sich ab zwischen waberndem Schlamm und mysteriösem Gothic-Ambiente, handeln von elementarer Lust und archaischen Ängsten. Ringsum Naturstoffe: Holz, Heu, Lehm. Alles ist auf grobe Primitivität angelegt, suggeriert prähistorische, maximal frühmittelalterliche Verhältnisse, die…


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