Cornelia Gockel
Isa Melsheimer
Kunstraum München, 23.3. – 13.5.2001
Als Kind waren die Sonntagsbesuche bei Oma immer lästige Pflichttermine. Fein herausgeputzt im Rüschenkleid mussten viel zu schwere Cremetorten und feuchte Küsse von älteren Tanten, die nach Kölnisch Wasser rochen, bewältigt werden. Einziger Lichtblick für uns Kinder war ein riesiger Perserteppich mit überbordendem Muster. Im Spiel unter der gedeckten Kaffeetafel mutierte er in unserer Phantasie zum dichten Dschungel, in dem wir heldenhaft gegen wilde Tiger oder heimtückische Schlangen kämpften. Eine ähnliche Faszination übt die neue Installation von Isa Melsheimer auf den Betrachter aus. Im Kunstraum München hat sie einen riesigen Teppich in Form eines beschaulichen Seerosenteiches ausgebreitet, in dem das Muster ein merkwürdiges Eigenleben zu führen scheint. Da sprießen zarte Blüten, wuchert dichtes Schilf und stürzt sich ein Löwe auf eine Gazelle. Über Holzstege kann man die Installation betreten und tief auf den Grund des Teppichsees schauen.
Melsheimer hat das Muster auf einem Computer entworfen, auf Papier übertragen, die Motive aus industriell gefertigter Auslegeware geschnitten und zu ihrem unergründlichen Teichbild zusammengefügt. Dabei reicht das Material vom dezent gemusterten Filzbelag für Büros bis hin zum luxuriösen Teppichboden mit Arabesken in knalligem Pink. Dazu hat Melsheimer aus dicken Wollfäden florale Motive geknüpft, die wie kleine Inseln aus der Teppichlandschaft herausragen. Durch die verschiedenen Florhöhen entsteht ein reliefartiges Gebilde, das den Betrachter in seinen Bann zieht. Als Vorlagen dienten ihr Ornamente von persischen und asiatischen Teppichen aus dem 16. Jahrhundert, Muster der 60er und 70er Jahre als auch aktuelles Design. Eine “digitale Endzeitlandschaft”, nannte Susanne Meyer-Büser, die…