THOMAS WULFFEN
IRWIN Retroprincip 1983-2003
Künstlerhaus Bethanien, Berlin, 26.9. – 26.10.2003
Endlich habe auch ich einen Pass der NSK. Er war für bares Geld bei der Ausstellungseröffnung von IRWIN im Künstlerhaus Bethanien erhältlich. Viele andere hatten ihn schon davor, aber ob sie ihn wirklich eingesetzt haben, bleibt fraglich. Zumindest konnte Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Bundeskulturstiftung, die die Ausstellung wesentlich gefördert hat, bei ihrer Eröffnungsrede von einem Versuch bei einem Grenzübertritt berichten, der erst nach vierstündiger Befragung sein erfolgloses Ende fand. Erst der richtige Pass ermöglichte das Überschreiten der Grenze. Aber wer sich dem Werk der Gruppe ,IRWIN’ aussetzt, hat es andauernd mit Grenzüberschreitungen zu tun, ästhetischer, politischer und gesellschaftlicher Art. So ist der erwähnte Pass ein ,Werk’ von IRWIN und man wird mit ihm Bürger der NSK. Hinter dem Akronym NSK verbirgt sich ,Neue Slowenische Kunst’, in deutschen Worten geschrieben. Die NSK wurde 1984 gegründet in dem damaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien, und die Benutzung der deutschen Sprache in diesem Kontext – Jugoslawien hatte besonders unter der deutschen Besatzung zu leiden – war ein Sakrileg. IRWIN ist neben der Musikgruppe Laibach und dem Theaterensemble Gledalisce Sester Scipion nasice Teil des Künstlerkollektivs der NSK.
Die Ausstellung ,Irwin Retroprincip’ ist ein Ereignis, weil sie fünfzehn Jahre nach der letzten großen Vorstellung des Werke 1989 in der Düsseldorfer Kunsthalle unter Jürgen Harten sowohl einen Rückblick als auch einen Ausblick erlaubt. Dazu hat sie noch einen spezifischen Kontext in der Festspiel-Ausstellung ,Berlin-Moskau/Moskau-Berlin 1950 – 2000′ im Martin-Gropius-Bau. Die von IRWIN angewandte Arbeitsmethode des ,Retroprinzip’ kann als Kommentar zu…