Inszenierungsstrattegien II:
Der Apparat, das Licht
Von Gottfried Jäger
Das zentrale Motiv der Fotografie, die “Abbildungstreue”, wurde durch die Theorien und Arbeiten von Moholy-Nagy Anfang der 20er Jahre radikal in Frage gestellt. Sie bedeuten Einschnitt und Wende in dem bis dahin diskutierten und praktizierten Verhältnis zwischen fotografiertem Gegenstand und fotografischem Bild. Den Kamerafotografien standen plötzlich kameralos hergestellte Lichtbilder gegenüber, deren Inhalte und Formen sich nicht auf die üblichen Gegenstände außerhalb der Kamera bezogen, sondern auf deren Innenwelt, auf die inneren Verhältnisse und Strukturen der “Camera” (Abb. 1). Sie propagierten den freien, schöpferischen Umgang mit dem fotografischen Material, mit Licht, lichtbrechenden und lichtreflektierenden Medien, mit lichtempfindlichen Schichten und Emulsionen. Eine auf den eigenen, ursprünglichen Entstehungsprozeß des Fotos bezogene “konkrete” Fotokunst entstand. Es waren Luminogramme und Fotogramme, Fotoplastiken und Fotomontagen; später traten Chemigramme und Xerogramme hinzu, die den latent im Fotoprozeß enthaltenen Bilderschatz sichtbar und lebendig werden ließen. Es waren nicht mehr foto-grafische, sondern im eigentlichen Wortsinn foto-gene Werke, nicht Aufzeichnungen einer bekannten Welt mittels Licht, sondern Licht-Erzeugnisse einer neuen Welt: “Licht-Emanationen” (Roh).
Das gesamte Spektrum Fotografie erfuhr durch sie eine beträchtliche Erweiterung. Der Blick richtete sich auf das “Innenleben” des Mediums, öffnete den Zugang zu seinen Elementen und Strukturen und auf die in ihm verborgen angelegte Symbolik und Sinnlichkeit. Das ganze fotografische Material mit seinen faszinierenden Oberflächen und “Fakturen”, mit seinen feinen Verläufen, seinen Gradationen, seinem Korn, mit seinen Spiegelungen und Reflexen, mit seinen changierenden, schillernden, chromolytischen und chromogenen Interferenzerscheinungen, mit seiner Verletzlichkeit und seinen bildschönen “Fehlern” – bis hin zu den vielfältigen optisch-visuellen wie…