PAUL ETIENNE LINCOLN
Industrieller Versuch
Der britische, heute in New York lebende Künstler Paul E. Lincoln betont, daß seine Konstruktionen nicht nur technologische Prozesse initiieren, sondern Kulturphänomene verdeutlichen: er rekonstruiert z.B., aus welchen Ingredienzen das Parfum der Madame Pompadour bestand, und sprüht einen Installationsraum so ein, daß die Besucher “authentische” Gerüche als “historisch identisch” nehmen können. Eine Kegel-Konstruktion mit Laufbahnen für Schnecken im Inneren ist eine Metapher für die hierarchische Ordnung am Hof von Versailles, gleichwohl spiegelt auch der Bienenstaat das Ordnungssystem humaner politischer Kulturen wider – bzw. nimmt dieses vorweg. Die “Honigpumpe” von Joseph Beuys sollte konkret verdeutlichen, wie die “Soziale Plastik” auf der Änderung von Aggregatzuständen mittels Energieumwandlung basiert. Lincolns Konstruktionen sind damit technisch vergleichbar, ästhetisch jedoch völlig anders, und sie zielen inhaltlich auch in eine andere Stoßrichtung – bei ihm erfährt Kulturgeschichtliches und Technisch-Wissenschaftliches immer eine ironische Brechung.
Sein Installationsprojekt “New York – New York” (1987-1999) beschreibt Lincoln als “industriellen Versuch” über die Geschichte dieser Stadt in den vergangenen sechzig Jahren. Zwei Apparaturen sind auf die Produktionszeit einer “industriellen Sechzigstundenwoche” eingestellt. Als Symbolisierung nostalgischer Einstellungen funktioniert “New York Hot” nach dem Prinzip des Heißwasserboilers – in diesen 60 Stunden läßt die Maschine unaufhörlich drei Takte von “Stars and Stripes forever” erklingen. In derselben Zeit läßt “New York Cold” als Verkörperung des Fortschrittsgedankens soviel Wasser gefrieren, daß sechzig Fünfdollarnoten in hauchdünne Eisplättchen geprägt werden können. Sie werden dann in das Wasserreservoir befördert, das beide Maschinen versorgt, wo sie wieder schmelzen. Die “sinnvolle” Produktion (von Geld) wird durch dessen anschließende Vernichtung…