Raimer Jochims:
..in die geistigen Höhlen zurückkehren, um innere Bilder zu gewinnen.
Im Gespräch mit Sara Rogenhofer und Florian Rötzer
Raimer Jochims, geb.1935, lebt in Hochstadt bei Frankfurt und ist seit 1971 Professor für freie Malerei und Kunsttheorie in Frankfurt. In einer ersten Phase zwischen 1961 und 1973 hat Raimer Jochims in einer für ihn charakteristischen Doppelung von theoretischer Reflexion und künstlerischer Realisation das Programm einer indviduellen Identität ausgearbeitet, die in Fortsetzung der autonomen Malerei das Bild nur von der Relation zwischen Farbe und Form bestimmt. Das normale, rechteckige Format des Tafelbildes wurde in seinen chromatischen Bildern beibehalten, deren Farbverläufe beim Betrachten zu schwingen beginnen und flutuieren, ohne inhaltliche Assoziationen auszulösen oder an gegenständliche Wirklichkeit zu erinnern. Visuelle Identität bringt im Sinne von Jochims eine Erfahrung des Schwebens zum Ausdruck, indem sie die Farbfläche dynamisiert, die in ihrer Offenheit, in ihrer Vermeidung von Statik und Eindeutigkeit, den Betrachter herausfordern, ein aktives Sehen zu entwickeln, das “rein” ist, das meditiert. Angestrebt wird von Jochims die Verbindung der autonomen Malerei, die die realen bildnerischen Mittel und Aktionen nicht mit Vorstellungen fiktiver Realität durchsetzt, mit den visuellen Dimensionen einer neuen, freien Lebensform. Wirklichkeit wird im Bild nicht abgebildet, sondern entworfen als offene Form, in der sich das aktive Sehen erfahren kann, weil in ihm die Bedingungen visueller Erfahrung erkannt werden können. In den Vorlesungen zur “Visuellen Identität” im Wintersemester 1973/74 zog Jochims daraus noch den Schluß, daß in einer befreiten Gesellschaft das Bild als Träger neuer Bewußtseinsformen übergeht in eine freie gesellschaftliche Praxis, die Kunst…