Imitation und Mimesis
Eine Dokumentation herausgegeben von Hans Ulrich Reck
Zerfällt die Welt nur noch zu Bildern, erschöpft Identität sich in der Wiederholung? Die Welt scheint den Menschen über die Bilder näher denn je auf den Leib gerückt zu sein. Die offenen oder geheimen Sehnsüchte nach Aufhebung aller Distanzen setzen auf eine Aufhebung ohne Bruch und Rest. Aber die Fähigkeit, die Welt in Bildern zu sehen, schafft unentwegt und unaufhörlich neue Differenzen zwischen dem Wirklichen und dem Symbolischen. Zwischen Wiederholung und Erneuerung spielt sich die künstlerische Formung kultureller Leitbilder ab. Der eher negative Beiklang des Imitierens auf der einen, die zerbrechliche Hoffnung auf ein mimetisches Vermögen außerhalb instrumentellen Tuns auf der anderen Seite markieren die begrifflichen Pole, die sowohl ein anthropologisches Grundinteresse umschreiben wie dessen Einwirkungen in die aktuelle Kulturentwicklung.
Die hier versammelten Beiträge sind Ausweitungen, Vertiefungen und Fortführungen von Recherchen, die zu einer Ausstellung und einer begleitenden Publikation geführt haben: “Imitation. Nachahmung und Modell. Von der Lust am Falschen” (Ausstellungen im Museum für Gestaltung in Zürich 1989/90, in Hagen und Berlin 1990; Publikation im Verlag Stroemfeld/Roter Stern, Basel/Frankfurt 1989). Dabei sind die Akzente anders gesetzt: Nach einer eher ethnologischen Aufarbeitung der Breitenwirkung imitativer Strategien stehen die komplexen Hoffnungen und Modellierungen der Bilder vom Menschen, von Selbst- und Fremdbildnissen, im Vordergrund. Die Bilder greifen zugleich aus und zurück auf den Körper und die Phänomene des Leibes. Die mimetische Differenz, um die es geht, spiegelt den Denk- und Handlungsraum in der Differenz zwischen Leib und Umwelt und als Versuch einer vorahmenden Eröffnung neuer Erfahrungen….