Im Zoo der Kunst II
von Thomas Zaunschirm
Die bizarren Formen der auf- und abwogenden Brieftauben-Schwärme werden von einem ungewohnten Geräusch begleitet. Das bis heute beobachtbare „akustische Schauspiel“ über Peking verdankt sich dem Brauch, Pfeifen auf den Tauben zu montieren, die im Flugwind erklingen. Dem westlichen Beobachter mag das wie eine kompositionelle Installation oder künstlerische Performance erscheinen. Doch diese Aktion findet anonym außerhalb der Kunstwelt statt und wird in unserem „Archiv“ lebendiger Tiere in der Kunst nicht angeführt. Als Brauchtum ist das fliegende Pfeifen vergleichbar dem Läuten der Kuhglocken auf der Alm. Wenn dagegen die von Tieren erzeugten Geräusche Teile von Klanginstallationen sind, wie bei Allen, Christiansen, Håkansson, Hess und Kolig, haben sie ihren Platz im Rahmen der „bildenden Künste“. Auch wenn der Kunstbegriff einer ständigen Expansion ausgesetzt war, ist er nach wie vor ein Ordnungsbegriff auch für solche Randformen.
Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der in Frage kommenden und ins „Archiv“ aufgenommenen KünstlerInnen, die in verschiedenen Medien mit lebenden Tieren gearbeitet haben, auf über 260 verdoppelt. Je nach Betrachtungsweise erscheint das als viel, oder als verblüffend wenig. Es besteht ein überraschendes Mißverhältnis von Millionen tätigen Künstlern und jenen wenigen, die mit lebenden Tieren arbeiten. Da aber entsprechende Werke nur selten ins allgemeine Bewußtsein gedrungen sind, wirkt die Zahl groß. Eine wirkliche Begegnung mit dem Thema findet nur selten statt. Meist stößt man darauf in Videos oder dokumentarischen Fotos. Dabei stellt sich oft genug die Frage nach dem Kriterium der Auswahl. In der Dokumentation von Happenings und Performances reduziert sich die…