Im Zoo der Kunst I
VON THOMAS Zaunschirm
Künstler nutzen das erste Mal in den 1960er Jahren lebendige Wesen, den menschlichen Körper, Tiere und Pflanzen als Material. Die dem Tier gewidmeten Ausstellungen der letzten Jahre haben freilich nicht zwischen den Tieren als Symbolen, als Gegenständen der Kunst und ihrer lebendigen Präsenz unterschieden. Das Phänomen zu deuten, ist nie unternommen worden, obwohl in diesen vier Jahrzehnten mittlerweile alle nur denkbaren Tiere eingesetzt wurden und mehr als zweihundertfünfzig Künstler sie als Gestaltungsmittel oder gar als Mitgestalter verwendet haben.
Sich diesem spannenden Kapitel der Gegenwartskunst zu widmen, kann sich nicht auf eine Aufzählung und Beschreibung der entsprechenden Werke beschränken. Die Auseinandersetzung muss sich von traditionellen Sichtweisen genauso befreien, wie den Blick zurück wagen, um die Vorstufen kenntlich zu machen. Seit es Kunst gibt, spielt die Grenze zwischen dem Menschen und dem Tier eine wichtige Rolle. Wie immer man sich dieser Grenze widmet, immer wird es zu Widersprüchen und unauslotbaren Leerstellen kommen, die hier nicht auszuräumen sind, die aber bewusst gemacht werden sollen.
Im Blick auf die Tiere mischen sich ästhetische und historische Kategorien ganz unwillkürlich. Die zwei klassischen Kronzeugen für solche Überlegungen sind Darwin und Nietzsche. Charles Darwin beendet sein Jahrhundertbuch „Über die Entstehung der Arten“ (1859) mit einem ästhetischen Blick in die Natur: „Wie anziehend ist es, ein mit verschiedenen Pflanzen bedecktes Stückchen Land zu betrachten, mit singenden Vögeln in den Büschen, mit zahlreichen Insekten, die durch die Luft schwirren, mit Würmern, die über den feuchten Erdboden kriechen, und sich dabei zu überlegen, daß alle diese…