Walter Grasskamp
Im Zeichen des Fuchses
Ein Documenta-Horoskop
Rudi Fuchs kann sich offenbar alles leisten. Er lädt zur Pressekonferenz nach Kassel, um ein auf Namen und Konzepte gespanntes Publikum mit launiger Funktionärslyrik abzuspeisen, und handelt sich damit noch nicht mal eine schlechte Presse ein. Er nimmt die Pressevertreter ein bißchen auf den Arm und sie merken es nicht, sondern kolportieren eifrig seine poetischen Gehversuche, zeigen allenfalls Nachsicht mit diesem eigenwilligen Ausstellungsmacher. Kein Pressevertreter rechnet damit, daß diesem Documenta-Macher die Presse schnuppe sein könne, wo doch seine Vorgänger ihre publicity und deren sensible Agenten so aufmerksam behandelten, wie sie gerne behandelt werden wollen. Und nun sollte ein Documenta-Chef gekürt worden sein, dem die Presse gleichgültig ist? Das übersteigt das Vorstellungsvermögen der Kritiker und so nehmen sie es nicht zur Kenntnis. Man hat schon davon gehört, daß Kritiker in empfindlich regierten Museen Hausverbot erhielten, andere mußten sich in langwierigen Debatten ihres Rufes erwehren, aber einfach links liegen gelassen zu werden, das ist ziemlich ungewohnt.
Vermutlich war es nicht mal die Idee von Rudi Fuchs, eine Pressekonferenz einzuberufen, wofür die Tatsche, daß er nichts Einschlägiges mitzuteilen hatte, ein bemerkenswertes Indiz liefert. Womöglich entsprach es nur dem Pflichtbewußtsein des Aufsichtsrats, der einer mit öffentlichen Geldern geförderten Veranstaltung auch ein wenig Öffentlichkeit zukommen lassen wollte, allein schon, um die Form zu wahren, aber auch, weil dies bislang immer den angenehmen Nebeneffekt hatte, daß schon lange vor der Eröffnung der documenta die Werbetrommel kräftig gerührt wurde für die Reise nach Kassel. Für die Bereitschaft der Kritiker, im redaktionellen Teil der…