Im Westen nichts Neues
VON MARIUS BABIAS
Zugegeben: Der dem Roman von Erich Maria Remarque entlehnte Titel “Im Westen nichts Neues”, 1929 erschienen als Anklage gegen die Verrohung des 1. Weltkrieges, mag in einem Bericht über Künstler, die vor Jahren aus Berlin / Ost und Dresden nach Berlin / West kamen, weil sie sich hier bessere Produktionsbedingungen erhofften, abenteurlich erscheinen. Wenn man sich in Erinnerung ruft, daß Remarques Absicht gänzlich unpolitisch war, daß es ihm vor allem um den Gewissenskonflikt junger Soldaten ging, die – von der grausigen Mechanik des Krieges elektrisiert- keinen Fuß mehr in der bürgerlichen Gesellschaft fassen können, erscheint der Titel in unserem Zusammenhang weniger deplaziert. Der Zynismus verschwindet beim Begriff der “verlorenen Generation” sodann vollständig. Ähnlich wie Hemingway (“The sun also rises”) versteht auch Remarque, dessen nüchterner Erzählton die Resignation spürbar erhöht, das individuelle Scheitern in einer allseits ideologisch okkupierten Lebenswelt darunter.
Hans Scheib, Ralf Kerbach, Cornelia Schleime, Wolfram A. Scheffler, Thomas Florschütz und Helge Leiberg sind in diesem Sinne Kinder einer “verlorenen Generation”, trotz der Beteuerungen, ihr Wechsel in den Westen sei kein Akt politischer oder ästhetischer Opposition. “Das Leben im Geschichtsloch” (Hans Scheib), worunter eine indoktrinäre Mittelmäßigkeit zu verstehen ist, die Opportunismus tugendhafter erachtet als Kreativität, legte früher oder später Schauspieler, Filmer, Literaten und Künstler die Wahl der “Kariere” (Wolfram A. Scheffler) oder der Übersiedlung nahe.
Der Wechsel in den Westen, zumal in vielen Fällen erzwungen, ist häufig als Folge von Resignation mißverstanden worden. Auch das in westlichen Intelektuellenkreisen hinter vorgehaltener Hand kursierende Vorurteil, Künstler aus dem Osten…