Peter Bürger
Im Schatten von Joseph Beuys
I. Philosophie und Kunst:
Nach der Utopie der Kampf der Extreme
Seit seltenere Vögel auszusterben beginnen in unsern hochindustriellen Gesellschaften, regt sich auch bei den Theoretikern der Verdacht, Hegels Eule der Minerva könnte ein ausgestopfter Vogel sein, in dessen Gefieder sich der Staub der Jahrhunderte sammelt. Wenn schon die Vergangenheit zum Schaustück erstarrt ist, wieviel schlechter steht es dann erst um eine Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. Wer wagt heute noch, sie zu entwerfen als Konstellation mit einer vergangenen Epoche, die es im Tigersprung zu fassen gilt. Der Benjaminsche Satz wird zwar gern zitiert; aber er hat doch sein Pathos eingebüßt, seit ganze Rudel von Tigern (oder sollten es Hasen sein) in alle nur erdenklichen Epochen der Vergangenheit springen, um reich an Versatzstücken von ihren Beutezügen zurückzukehren. Die Theorie ist bescheiden geworden, verglichen mit den großen Entwürfen Herbert Marcuses aus dem Umkreis der Studentenbewegung der späten 60er Jahre.
Wenn nun, in der Rebellion der jungen Intelligenz, das Recht und die Wahrheit der Phantasie zu Forderungen politischer Aktion werden, wenn surrealistische Protest- und Verweigerungsformen sich ausbreiten, dann kann diese scheinbar unbedeutende Entwicklung einen grundlegenden Wandel der Lage markieren.1
Diese Zeilen aus Marcuses Versuch über die Befreiung haben heute einen nostalgischen Beigeschmack. Nicht surrealistische Protestformen, sondern die Wahl Gorbatschows zum Generalsekretär der KPdSU haben, wenn auch nicht einen »grundlegenden Wandel der Lage«, so doch die Hoffnung darauf befördert …
Trotzdem ist der Vorwurf unberechtigt, hier werde das Ästhetische für politische Zwecke in Dienst genommen; vielmehr…