Im Reich der ,,Leere”
von Christoph Schenker
Sagen nicht wollt ich’s!
Sagen ist schon Verhängnis –
Klage nur war es.
Aber ihr mißversteht mich,
ach, ihr deutet mir’s übel!
(aus dem Kagerô Nikki)
Japan ist nicht nur das Reich der Sinne, das Reich der Zeichen – es ist auch das Reich der “Leere”.
Japan ist ein stetig sich wandelndes, anpassendes Gefäß, offen, alles aufzunehmen, einzufassen. Diese jahrhundertealte Form mit ihrem gesunden Opportunismus und ihrem bewundernswerten Willen, Neues und Fremdes zu umfassen, füllt sich nie, soviel sie auch aufnimmt. Der Inhalt scheint im selben Maße geringfügiger zu werden und zu verkümmern, wie die Hülle aufwendiger und größer wird. In der Mitte des Gefäßes ist nichts, “Leere” – es gibt kein Zentrum.
Durch die katastrophale Erschütterung vor 37 Jahren ist das Gefäß Japan an etlichen Orten gesprungen. In die empfindlichen Risse fließt westliche Säure und zerfrißt das Gefäß. Die Sprünge und verätzten Stellen werden täglich größer.
Dieser kurze Text soll in Verschränkung mit den Bildern von solchen Orten berichten, wo die Säure in Verbindung mit dem Material des Gefäßes ungeheure Blasen gebildet hat: von der japanischen Kunst westlichen Stiles.
Wo die Blasen nicht so dicht lagen oder wo eine leicht zu durchstoßen war, da konnte es geschehen, daß einem der Blick auf die wudervolle kleingegliederte Struktur des Gefäßes frei lag.
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Meinen ersten Schrill in eine japanische Galerie begleitete ein heftiger Schlag des Kopfes an den niedrigen Türsturz. Der Aufprall war mir Zeichen, die grünen Gläser von den Augen zu schleudern, und gleichzeitig Forderung, vieles zu vergessen,…