Im Raume lesen wir die Zeit
Die weichlich konturierten, amöbenhaft rundlichen Ausschnitte von Landkarten, die Peter Fend an die Wand heftet, sehen ebenso willkürlich aus wie sie sich einer dezidierten Logik verdanken. Fend ist ein unermüdlicher, ein missionarischer Vertreter des Prinzips natürliche Grenze, und also pinnt er in den White Cube seine ureigene Obsession der Wasserscheiden. Wo auch immer in der Welt sich ein Konflikt anhäuft, Fend ist mit der Lösung schon da. Die Flüsse, die auf Bagdad zulaufen, oder die Strömungen, die die Gewässer um New York herum leiten, markieren das Territorium, das organischerweise zu einer Stadt, einem Land, einem Anspruch auf Verfügung gehört. Da gäbe es im Prinzip nichts zu streiten. Wenn nur alle, so findet Fend, auf ihn hörten.
Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel, Professor in Frankfurt an der Oder und damit an einem Ort situiert, der seinerseits etwas weiß von Ost-West-Verschiebung und Festlegungen vermeintlich ewiger Barrieren, hat nun den Ideen, wie Fend sie in die Kunst getragen hat, eine zusammenfassende Darstellung geliefert, eine veritable Synthese, die in nicht weniger als ein neues Paradigma mündet. Am Horizont, so Schlögel, leuchtet nach all den linguistischen, systemtheoretischen und anthropologischen Begeisterungen der letzten Jahrzehnte nunmehr der “Spatial Turn”.
Mit Benjamin als Baedeker liest Schlögel den Reiseführer als Passagenwerk. Schlögel studiert die Kursbücher der Bahn, referiert die Geschichte der Mappenwerke, zeichnet den Weg vom Acker hinterm Haus zur Begeisterung am Globalen nach, schnüffelt in Hotels hinein und kümmert sich besonders um seine Leib- und Magengegend: Die Sowjetunion und das Russland des letzten Jahrhunderts.
Besonders luzid ist…