Michael Hübl
Im Loop des Lächelns
Ein Camcorder mit SmileShutter-Funktion erlaubt die Perfektionierung der Euphorokratie
Gute Zeiten für mittelmäßige Politiker, daueraufgekratzte TV-Entertainer oder hyperbeflissene Frühstücksdirektoren: Die Elektronikindustrie hat jetzt einen Camcorder mit Lächelautomatik (technische Bezeichnung: Smile Shutter-Funktion) auf den Markt gebracht 1. Ein Gerät “für die freundlichen Momente des Lebens” 2, denn seine Sensoren sind so eingestellt, dass sie auf lächelnde Menschen reagieren und dann sofort bewirken, dass ein Foto aufgenommen wird. Das Lächelerfassungspotenzial ist enorm. In der Produktankündigung des Herstellers heißt es: “Im “Always On”-Modus klickt der Auslöser sogar dann, wenn der Camcorder im Standby-Modus schlummert. Dabei kann der Nutzer selbst den “Lächel-Grad” bestimmen, der die Automatik aktiviert. Die Bandbreite reicht von einem leichten Heben der Mundwinkel bis zu einem breiten Grinsen” 3.
Abgesehen von der vermuteten technischen Kompetenz der Ingenieure scheint die soziovisuelle Aufnahmebereitschaft der Apparate schon deshalb vertrauenswürdig, weil der HDR-CX11E (so die Produktnummer) in einer Region des Weltmarkts entwickelt wurde, die spätestens seit Franz Lehárs gleichnamiger Operette als “Land des Lächelns” bekannt ist. Der Schauplatz ist im konkreten Fall zwar China, aber Lächeln gilt im gesamten Südostasien als höfliche Selbstverständlichkeit. Folglich haben die Produktmanager der japanischen Firma Sony, die dem neuen Camcorder den Weg in die Konsumzonen ebnete, lediglich einem kulturellen Standard Rechnung getragen.
Daneben folgt das Unternehmen einem Trend, den es selbst mit angestoßen und vorangetrieben hat, der aber weder auf Japan noch auf einen einzelnen Konzern beschränkt ist: Der demiurgische Wunsch, anthropomorphe Maschinen zu schaffen, die dem biologischen Vorläufer Mensch alles Lästige und Gefährliche abnehmen, ist ein Leitmodell…