Im Labyrinth der Dialektik von Innerhalb und Außerhalb?
Von der Verweigerungskunst zur Kunstverweigerung
Von Herbert Kopp-Oberstebrink und Judith Elisabeth Weiss
Reclaim Your Art
Zu den flüchtigsten und gefährdetsten unter den Erscheinungsformen und Praktiken der jüngeren Kunst gehört die Street Art, sind ihre Hinterlassenschaften doch zumeist schutzlos dem raschen Wandel urbaner Räume ausgeliefert. Werden ihre Werke von den Künstlern aber, die sie hervorgebracht haben, selbst beseitigt, so ist das ein bemerkenswerter und höchst signifikanter Akt. Zu den Marksteinen von Street Art in Berlin gehörten die beiden großflächigen, 2007 und 2008 geschaffenen Wandgemälde des italienischen Künstlers Blu, die die Brandmauern zweier benachbarter Gebäude am Rande einer Kreuzberger Brache zierten. Häufig in Reiseführern abgebildet, beliebtes Motiv auf Postkarten und von Touristen besichtigt, galten sie als gerne goutierte Wahrzeichen einer auch in ihren Protesten gegen Gentrifizierung lebendigen, weil kreativen Urbanität, die, von der Occupy-Bewegung und den globalisierten Protesten gegen Globalisierung inspiriert, sich deren Parole „Reclaim the Streets“ mit einer leichten Abwandlung auf die Fahne oder besser: auf die Hauswand geschrieben hatte: „Reclaim your City“. Mitte Dezember 2014 wurden sie über Nacht schwarz übermalt; Bilder, die den allmählichen Fortschritt dieser Aktion zeigen, sind im Blog des Künstlers zu sehen. Zuletzt blieb eine Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger, der Geste des digitus impudicus, übrig, bis auch sie zuletzt unter der Farbschicht verschwand. Das war konsequent, handelte es sich hier doch nicht darum, einem neuen Inhalt künstlerischen, der neuen Situation angemessenen Ausdruck zu verleihen, sondern durch einen Akt der Verweigerung Kunst zu ihrem Ende zu bringen. Der Künstler formulierte dies in…