VITUS H. WEH
Im Dickicht der Straßen
“DAS PLAKAT” VON MUSEUM IN PROGRESS
Der öffentliche Raum der Stadt ist Kampfzone. Das Ziel ist Aufmerksamkeit, die Mittel sind vielfältig: Neonreklamen flimmern neben Informationsständen, Straßenmusikanten dudeln neben Schaufenstern, Fahnen wehen neben Videoscreens. Wenn dazwischen versteckt ein Brunnen plätschert oder eine Skulptur ihre schiere Anwesenheit behauptet, fragt man sich, wozu das nostalgische oder behübschende Dekor wohl taugen soll. Jede schrille Werbung scheint in solcher Umgebung mehr Selbstverständlichkeit zu besitzen, als “Kunst”. Tatsächlich reduzieren sich die künstlerischen Möglichkeiten in der visuellen Nervosität der Städte fast zwangsläufig auf eine Art Mimikry, auf Werke, die temporär auf- und wieder abtauchen.
Zu den überzeugendsten Zugriffen dieser Art auf öffentliches Terrain gehören die Projekte des Wiener Kunstvereins “museum in progress”. Seit 1990 hat sich dieser zur Aufgabe gemacht hat, seine Ausstellungsräume nur noch in Massenmedien zu eröffnen. Und zu diesen gehören auch die großen Plakatflächen der Werbeindustrie. Mittlerweile hat “museum in progress” bereits elf Künstlern und Künstlerinnen die Möglichkeit gegeben, ihre Ideen für das Medium Plakat in großer Auflage zu produzieren. Die Finanzierung erfolgt meist über Sponsoring der Fluglinie Austrian Airlines und des Wiener Plakatvertriebs Gewista. Affichiert wurden die Sujets jeweils an bis zu 3000 Stellen Wiens – in den letzten Jahren in Kooperation mit “europlakat” zusätzlich auch in anderen großen Städten des Kontinents.
Begonnen hat die Reihe 1991 mit einem Plakatauftrag an den österreichischen Künstler Gerwald Rockenschaub. Rockenschaub ging vom Modulsystem der Plakatfirmen aus, wonach jedes Großplakat aus acht bis maximal 72 Standardbögen zusammengesetzt ist. Solche Standardbögen ließ er in sieben,…