Frank-Alexander Hettig
Ilya Kabakov
»Das grosse Archiv«
Stedelijk Museum, Amsterdam, 29.1. – 28.3.1993
In der Installation “Das grosse Archiv” kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, besessen oder enteignet zu sein, sich zu verirren oder seine Persönlichkeit aufzugeben. Diese “totale Installation” ist Teil von Kabakovs Superinstallation “Die russische Welt”.
“Das grosse Archiv” setzt sich nicht nur aus schäbigen Gegenständen zusammen, sondern beherrscht die ganze Atmoshäre der Museumssäle: herabgesetzte, niedrige Decken, an denen kahle Glühbirnen hängen, beleuchten die verschlissenen Tische und Stühle; zerstreuter Abfall und Papier liegen auf dem abgelaufenen Linoleum, mitten im Raum ein stehengelassener Besen als Relikt einer Beschäftigung, Papierknäuel zusammengefegt und zurückgelassen. Eine trostlose und verlassene Stimmung herrscht in den Räumen. Über den Tischen hängen Karten mit Fragen, die für ein zu verwaltendes Geschlecht, für Alter oder Beruf bestimmt sind. Durch die Atmosphäre in diesen Sälen und die sehr gezielten Fragen auf den um die Tische herumhängenden Archivkarten wird deutlich, dass es sich um die Registrierung durch einen gigantischen Verwaltungsapparat handelt. Kabakovs feingezeichnete Illustrationen von Personen verschiedenen Alters und Berufsgruppen geben der Installation, trotz des bürokratischen Ordnungssystems, einen poetischen Zug.
Die Tische mit den Frageformularen stehen in durch Scheidewände abgeschirmten Kabinen: Der zu Registrierende fühlt sich wie in einer Abstellkammer. Je nach Antwort muss sich die Person einen Weg durch diese angsteinjagende Bürokratie bahnen, bis sie schliesslich in einem Labyrinth landet.
Das Modell des Archivs von Kabakov zielt auf die Einbildungskraft mit den Vorgaben und Zwängen durch die Fragen. Die auf Karteikarten geschriebenen und illustrativ gezeichneten Ermittlungen und Erkundigungen sind Ausdruck einer irrsinnigen…