Christian Huther
Ilya Kabakov
»Zwischenfall im Museum oder Wassermusik«
Landesmuseum, Darmstadt, 17.3. – 5.6.1994
Eigentlich sieht alles ganz echt aus, künden doch Plakate und Kataloge inmitten von Cézanne, Degas, Guercino und Kabakov im Vestibül des Darmstädter Landesmuseums von der Existenz des Künstlers. Auf einer Vitrine klebt ein Schild mit der Mitteilung “Komme gleich wieder”, die Tür ist nur halb offen. Drinnen soll Stephan Y. Koshelev (1884-1934) mit späten Bildern vorgestellt werden, der Begründer des malerischen “Synthezismus”, heute neben Kandinsky, Malewitsch und Tatlin zu stellen. Also gehen wir in die scheinbar unbewachte Ausstellung. Im ersten Raum weinrote Wände, eine umlaufende Holzvertäfelung, goldener Stuck an der Decke, in der Mitte schwarze Sitzbänke. Nur gedämpft beleuchtet sind neun realistische, an Cézannes Farben erinnernde Bilder, die u.a. eine Bäuerin inmitten einer Hühnerschar, folkloristisch gekleidete Frauen und eine Seeansicht zeigen. Im zweiten Raum sind vor dunkelgrünen Wänden fünf Koshelev-Gemälde, im angrenzenden Kabinett vier kleine, fast abstrakte Farbstiftzeichnungen zu sehen.
Allerdings sind die zwei großen Räume mit Schüsseln, Zinkwannen, Farbeimern und Einmachgläsern so übersät, daß man einige Bilder gar nicht aus der Nähe betrachten kann. Wasser tropft nämlich von der Decke. Entweder ist das Museumsdach undicht, oder das Haus hat einen Wasserrohrbruch. An den Ecken sind sogar große Plastikfolien über Stühle gespannt, die das Wasser in eine Schüssel leiten. Mit der Betrachtung der Bilder ist es vorbei, lenkt doch das trommelartige Tropfen zu sehr ab. Die Aura der Kunst ist durch banale Ereignisse gestört.
Indes ist alles falsch – vom vorgetäuschten Wassereinbruch über die gediegenen Museumsräume bis zu den Bildern….