Marlis Grüterich
Idylle oder Intensität: Beispiel ‘Città di Riga’
Kunsthalle Bern, März-April 1980
“Città di Riga”, der Name einer Hansestadt in Osteuropa meint den kulturellen Unsinn der politischen Aufteilung Europas in Ost und West, während es das Wesen des Abendlands ist, Osten und Westen in sich miteinander zu vereinen.
“Città di Riga” benannte eine Gruppe italienischer Künstler und Kunstkritiker eine seit 1976 zweimal erschienene Kunst-Zeitschrift, um dem “Historischen Kompromiß” und seiner mühseligen parteipolitischen Überlebenstaktik ein gutes Beispiel zu geben. Dem Verleger ging die Luft aus.
Der Elan war auch vorbei? Die europäische Solidaritätserklärung der Italiener Luciano Fabro, Jannis Kounellis, Mario Merz und Giulio Paolini in Bern hat das Ziel, ihren Qualitätsanspruch zu verteidigen, den eine durch sie groß gewordene Kunst und Kunstkritik sich zum Feind aufbaut, um sich selber aufbauen zu können. Aber wo die Intelligenz und Stärke der italienischen Kunst seit den 60er Jahren herkommt, daß zeigt sich wieder in Bern.
Die Ausstellung war ein Fest – auch nachdem das bekannte und neue Premiere-Publikum abgerauscht war. Wer bietet einem schon ein Fest, das man alleine weiter feiern kann, das nicht aufhört, wenn man selbst in der Hochstimmung bleibt, in der sich erfreulich scharfsichtige Spekulationen einstellen?
Denn die Ausnahmesituation der Ausstellung, die Fiktion der Welt im Kunstzustand, die diese Künstler seit den 60er Jahren immer wieder inszenieren, handeln von Wochentagen, an denen sie ihrem Beruf nachgehen, Ausblicke aus den allgemeinen Problemen zu finden. Sie animieren, inszenieren Museumsräume zu realen Poesieräumen, in denen das Publikum herumgehen und sich vertraut machen kann, obwohl die Kunstelemente sich auf Bilddistanz…