Sven Drühl
Idylle-Ironiesierungen
I. Idylle
Im Zuge der Moderne wurde die einstmals sehr beliebte und verbreitete Idylle-Thematik zu einem Randgebiet der bildenden Kunst und fand angesichts der künstlerischen (formsprachlichen wie auch inhaltlichen) und historischen Entwicklungen kaum noch ungebrochen Bearbeitung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerät die Idylle als Gattung sogar weitgehend in Vergessenheit, sie scheint zu sehr negativ behaftet im Sinne rückwärtsgewandter Verklärung bzw. weltfremder Naivität. Industrialisierung und Technokratie lassen Motive der traditionellen Idylle, d. h. arkadische Ideallandschaften nach Vergilschem Diktum – auch locus amoenus (lieblicher Ort) genannt – bestehend aus friedlichen, umgrenzten südlichen Landschaften, vielfach mit Vieh auf satten Weiden und schattenspendenden Eichenbäumen an blumenumrankten Flussufern oder Bachläufen1 als Relikte einer untergegangenen bzw. niemals existenten ,heilen´ Welt erscheinen, in der der Mensch angeblich mit Tierwelt und Natur in Einklang steht. In der heutigen Zeit politischer Umbrüche und gesellschaftlicher Fragmentierung bzw. Isolation könnte kaum etwas unzeitgemäßer und ideologisch verdächtiger erscheinen. Dabei handelt es sich eigentlich um ein Gegenbild zum jeweils Bestehenden, denn die Idylle wandelt sich mit der Gesellschaft, sie ist gleichermaßen Sehnsuchtchiffre und Kompensationsmodell – in ihr steckt als Entwurf der besseren Welt indirekt das Potenzial der Gesellschaftskritik.2 Die Zuschreibungen für das idyllische Land Arkadien – Substitut und Inbegriff des idyllischen Daseins – reichen von unwiederbringlich verlorener Ursprünglichkeit bis zum “Rückzugsgebiet vor einer von Auseinandersetzungen und konfliktreichen Veränderungen beherrschten Alltagsrealität.”3 Arkadien, “geschaffen als sentimentalisches Gegenbild zur überfeinerten, verderbten Zivilisation, entspricht […] dem alten Traum vom einfachen elementaren Glück. Einheit mit der Natur, Einklang mit der Gottheit, Erinnerung an…